GROSSARTIG

Ein Stückchen Lebensqualität

Wo kaufen Sie eigentlich Ihr Gemüse ein? Eine Antwort auf diese Frage gleicht einem Glaubensbekenntnis. Während der Gang über den
Wochenmarkt vor nicht allzu langer Zeit ein fester Bestandteil des täglichen Lebens war, hat sich das Einkaufsverhalten hin zum schnellen Sprint durch den Discounter entwickelt. Stirbt der klassische Wochenmarkt aus? Karl Kübler, Geschäftsführer der Märkte Stuttgart GmbH & Co. KG ist optimistisch: „Der Käufer, der schon immer auf dem Wochenmarkt eingekauft hat, wird dies auch weiterhin tun.“ Mit späteren Marktzeiten versucht man der Lücke entgegenzuwirken, die sich vor allem in Hinblick auf ein jüngeres Publikum auftut. „Im Endeffekt wird auch diese Zielgruppe irgendwann die breite Warenpalette und die Frische der Lebensmittel zu schätzen wissen“, so der Wirtschaftsmann. „Die Märkte leben weiter“, ist seine Zukunftsprognose. Und er scheint recht zu behalten.
Breite Palette an Spezialitäten
An einem sonnigen Samstagmorgen herrscht auf dem Bismarckplatz in Stuttgarts Westen ein buntes Treiben. Studenten, junge Pärchen und Familien, aber auch alteingesessene Stuttgarter erledigen ihre Wochenendeinkäufe. Obwohl mit circa 15 Ständen eher einer der überschaubareren Märkte, überzeugt das Warenangebot hier mit einer breiten Palette an Spezialitäten: So hat man am Feinkoststand von Gerhard Maulick die Qual der Wahl aus 14 Sorten eingelegter Oliven, Schafskäse, feinen Ölen, Fladenbrot und hausgemachten Pestovarianten. Für den ausgefallenen Geschmack findet sich gar Exotisches wie Algensalat.
120 Sorten Käse für den Feinschmecker
Besonders viel Andrang herrscht vor dem Käsewagen „Käse + mehr“ von Martina Heller, die von einem Feinschmeckermagazin als einer der besten Käsehändler Deutschlands prämiert wurde. Sie verkauft ihre 120 Sorten Käse im Schnitt an 300 Kunden pro Markttag. Ein Highlight sind die Berg- und Ziegenkäsesorten, die mit ihrem würzigen Aroma bereits beim Einkauf Lust auf mehr machen. Auch sie sieht die Zukunft positiv: „Wir besetzen Nischen. Die Menschen wissen, dass sie hier etwas Besonderes bekommen. So bleibt uns die Kundschaft erhalten.“
Zunehmend mehr Männer Kunde
Nebenan verkauft Helga Medinger schon seit 29 Jahren Schwarzwälder Wurstwaren aus Eigenproduktion. „Besonders unser hausgemachter
Fleischsalat geht immer weg wie nichts, da kommen wir mit der Herstellung kaum hinterher“, erzählt die Chefin. Auf die Frage, wer denn bei ihr einkaufe, antwortet sie: „Wir haben viel Stammkundschaft, auch viele junge Leute.“ Und mit einem Schmunzeln schiebt sie hinterher: „Auch viele Männer, das hat sich in den Jahren schon verändert.“
Schöne Stimmung, nette Händler
Doch nicht nur auf dem Bismarckplatz tummeln sich männliche Marktfans: Heinrich Bauer zum Beispiel kauft regelmäßig auf „seinem“ Markt in Bad Cannstatt Obst und Gemüse vom Biobauern am Demeterstand ein. „Ohne künstlichen Dünger schmeckt der Salat einfach besser.“ Dem kann auch Sabine Weber nur beipflichten. Seit sie Mutter der kleinen Lisa ist, achtet sie besonders auf gesundes Essen: „Ich kaufe oft in Cannstatt ein.
Ich kenne die Händler und weiß, dass die Waren frisch sind. Auch die Stimmung hier ist schön, man sieht so viele unterschiedliche Leute. Zwar bezahle ich hier mehr als im Supermarkt, aber am Essen möchte ich nicht unbedingt sparen.“ Richard Lampert, Stammkunde auf dem Markt in Mitte fasst es so zusammen: „Was die Stadt hier hat, ist genial. So ein Markt, das ist einfach Lebensqualität.“ (NJ)

(Ausgabe März 2008)