Stuttgarts Wasserschutz

Mit 900 PS auf Streife

Mit dem neuen Boot „Susanne“ an der Untertürkheimer Schleuse.

Vorbei an Chemieunternehmen und Fabrikhallen, weist am Ende der Straße ein blaues Schild den Weg. Es zeigt auf einen unscheinbaren Plattenbau. „Wasserschutzpolizei“ steht in weißen Lettern darauf. Hier ist sie, die Dienststelle der Stuttgarter Wapo. Die beiden kleinen Motorboote in der Garage lassen keinen Zweifel daran. Polizeihauptkommissar Martin Schmeckenbächer wartet schon am Eingang. Der 45-Jährige trägt eine blaue Uniform mit dunkler Krawatte. An seinem Gürtel hängen Pistole, Handschellen und Pfefferspray. Die Schultern zieren drei goldene Streifen. Er lächelt freundlich: „Wollen Sie einen Kaffee?“, fragt er. Ich entscheide mich für Wasser – und genau darum geht es auch bei den Polizisten am Hedelfinger Neckarufer: um Wasser.

Viele Aufgaben

Angefangen bei Schiffskontrollen über Hilfe bei Unfällen oder Schiffsbränden bis hin zur Bergung von gefährlichen Stoffen. Der Aufgabenbereich von Martin Schmeckenbächer und seinen 37 Kollegen im Stuttgarter Hafen ist vielseitig. Ihr Bereich umfasst 80 Kilometer Flussstrecke zwischen Plochingen und Neckarwestheim und ist landschaftlich eines der abwechslungsreichsten Reviere der Stuttgarter Polizei. Die Strecke säumen sowohl Industrieanlagen als auch Naturschutzgebiete, Weinberge und Felder.

Wertvolle Fundsachen

An der Hedelfinger Dienststelle gibt es zudem eine Taucheinheit, zu der auch Martin Schmeckenbächer gehört. Der Polizeihauptkommissar ist einer von insgesamt sechs Tauchern, die in Stuttgart stationiert sind. Mit einer 37 Kilogramm schweren Ausrüstung gehen er und seine Kollegen dem Neckar bei Wind und Wetter auf den Grund. Dort bergen sie Beweismaterial, Schrott und manches Mal auch Wertvolles. Die Fundstücksammlung der Wasserschutzpolizei ist museumsreif: Goldene Uhren, ein altes Gewehr, verrostete Nummernschilder und Sprengkörper aus den Weltkriegen finden ihre letzte Ruhestätte im Hedelfinger Lager.

Patrouille auf dem Wasser

Martin Schmeckenbächer und sein Kollege Carsten Terhorst brechen zur Patrouille auf. Mindestens einmal am Tag fahren sie mit dem Streifenboot den Neckar entlang. Dann kontrollieren sie, ob die Güterschiffe richtig beladen sind, an den Ufern illegal Müll entsorgt wurde oder die Sportboote zu schnell fahren. „Das ist im Grunde die gleiche Arbeit wie auf der Straße. Nur dass unser Streifenwagen 900 PS hat“, schmunzelt Schmeckenbächer.

Hochmodernes neues Streifenboot

Der Streifenwagen ist das 13 Meter lange Aluminiumboot „Susanne“, das dieses Jahr im April von Susanne Mappus, der Ehefrau des damaligen Ministerpräsidenten, eingeweiht wurde. Seither ist es der Stolz der baden-württembergischen Wasserschutzpolizei, deren Flotte insgesamt 16 Streifenboote umfasst. Fragt man Martin Schmeckenbächer nach dem neuen Gefährt, regt sich ein Funkeln in seinen Augen: „Das neue Boot bedeutet mehrere Generationen an Fortschritt gegenüber der alten Technik.“ Als wir den Innenraum des Schiffes betreten, setzt der Polizeihauptkommissar sofort zu Erklärungen an. Man spürt, dass er selbst noch immer fasziniert von der neuen Technik ist, die in dem 850.000 Euro teuren Schiff steckt: eine Wärmebildkamera, ein hochmodernes Sonar, Radar und abhörsicherer Digitalfunk. Sein Kollege Carsten Terhorst und er fühlen sich auf diesem schwimmenden Hightech-Revier wohl und haben sich auch schon so sehr an die neuen Geräte gewöhnt, dass sie nicht mehr tauschen wollen.

Der schönste Arbeitsplatz Stuttgarts

Während Martin Schmeckenbächer noch die kleine Küche im Bug zeigt, startet Carsten Terhorst langsam die beiden Schiffsmotoren. So gehen wir an diesem milden Montagnachmittag mit insgesamt 900 Pferdestärken auf Streife. Heute haben die beiden Polizisten wohl den schönsten Arbeitsplatz Stuttgarts. Die Sonne scheint und taucht die Weinberge Obertürkheims in ein sattes Herbstgrün. Die goldenen Blätter der Uferbäume spiegeln sich auf der fast glatten Oberfläche des Neckars. An den Schleusen tummeln sich zahlreiche Kormorane. Das Wasser ist ruhig, Verkehr gibt es heute wenig. Hier und da ziehen Enten oder einsame Kajakfahrer schwache Linien durch das Wasser. Das gleichmäßige Brummen der Motoren harmoniert mit dem sanften Wippen des Bugs.

Viel Abwechslung

Ich merke, was diesen Job für die beiden Männer so reizvoll macht: Die Nähe zur Natur, zum Wasser und all seinem Leben darin. „Die Abwechslung ist reizvoll. Wir fahren an verschiedenen Landschaften vorbei. Hier in Untertürkheim ist der Industriehafen. In Ludwigsburg die Weinberge. Und überall begegnen wir unterschiedlichen Menschen. Die Binnenschiffer kommen häufig aus dem Ausland, zum Beispiel aus Holland oder Belgien. Solche Begegnungen sind immer sehr spannend für uns“, sagt Martin Schmeckenbächer.

Im Sommer auch ohne 900 PS unterwegs

Heute haben die beiden Polizisten wenig zu tun. Außer einem Jugendlichen, der sich verbotenerweise am Steg des Neckarkäpt‘n sonnt, gibt es keine Vorkommnisse. So passieren wir die Untertürkheimer Schleuse und machen uns auf den Heimweg. Zurück an Land, zeigt Martin Schmeckenbächer noch die beiden Dienstfahrräder. „Im Sommer gehen wir mit denen auf Streife. So können wir die Uferwege genauer kontrollieren. Das kommt bei der Bevölkerung sehr gut an. Die Polizei muss ja nicht immer im Auto unterwegs sein.“ Doch am liebsten sind er und seine Kollegen auf dem Neckar und freuen sich jeden Tag auf den Streifenwagen mit den meisten PS in Stuttgart. (LM)

12.11.2011
(Ausgabe 12. November 2011)