August-Kolumne Klaus Birk

Alles super, alles Stuttgart: Bundesweite Wahlgesänge

Klaus Birk, Kabarettist

Oh Tage der Freude, des Lichts und des Lebens. Endlich ist es wieder so weit: Bundestagswahl. Vier Jahre warten auf‘s große Glück sind zu Ende. Nur noch wenige Wochen und wir kreuzen die lieblichen Blätter. Was sind schon olympische Spiele oder eine Fußball-WM gegen die Wahl in der gebündelten Republik der Bedeutschten?

Bei der Btw mußt du nicht vom Sofa aus zuschauen bis zum Elfmeter schießen. Bei der Btw darfst du mitmachen. Da gehörst du zum Team. Da wirst du umworben, geliebt und geläutert. Wahle, Wahle manche Strecke, daß zum Zwecke Stimmen fließen.

Wer dich da bundesweit gern hat, ist einfach wunderbar. Für die nächsten paar Wochen wirst du als gläserner Deutscher sichtbar und manche Politcroissants besüßen dich mit der Frage: “wie hättest Du‘s denn gern?“

Nicht, um eine Antwort zu erhalten, du sollst ja niemand erschrecken, nein, um dir das gute Wahlgefühl zu geben: „Wir sind immer für dich da, wenn du uns nicht brauchst.“

Dazu gibt‘s als Aussicht frische Kohle zum Wohle der Gemeinheit und täglich ermunternde Gesetze zur allgemeinen Belästigung.

Da wird Gebrochenes erneut versprochen oder war es Verprochenes noch mal gebrochen? Bis zum 27. September jedenfalls bist du gefragter Bürge dieses Landes. Du bist das Volk, du bist Deutschland, du bist der Wahlfisch.

Die Wogen wallen und Angela Ahab mobbydickt sich und die bund gewürfelte Wahlfang-Crew durch den peitschenden Sturm auf der Suche nach dem willigen Wahlfett.

Da werden Flaggen gehisst und Flieger gehasst, Segel gesetzt und Gesetze geregelt, Steuern erniedrigt und erhöht dann versenkt. Da wird gezerrt und gezogen, gepaddelt, gepeitscht und zurück noch gerudert. Da wird die Mannschaft im Norden noch kielgeholt und im fröhlichen Frust gar heiter verankert.

Und du sitzt da im Glück und fragst dich: Meinen die mich? Angeln die nach mir? Und die Antwort lautet: „Ja. Wir lieben deine Flossen und schätzen deine Stimme. Wir vertrauen Dir. Deshalb wollten wir dich schon die ganze Zeit um Rat fragen, bei den Bürgschaften, den Milliardenkrediten, bei den lockenden Zügen von Stuttgart 21 und bei Atomkraftverkeleien, selbst beim verbayern von Gomez, und der vauweten Verporschung von Wedelin Wendeking. Wie immer wollten wir nur dein Bestes, wenn‘s geht bar oder per Überweisung.

Dabei hätten die erwählten Volksbetreter ja gerne alles in unserem Sinne erledigt, wenn nur die Lobby, die Sachzwänge, Europa, die Welt und der drohende Verlust der eigenen Karriere nicht dagegen gewesen wären.

Also lasst uns froh und munter sein, denn allen Zweifeln zum Rotz wurde Großes geleistet. Da wurde die Republik erfolgreich aus der Krise verschuldet, die Gesundheit feinverstaubt in den Krankenkassen vergraben. Die Atomkraftspottler siegten sich von einem Alarm zum nächsten, die Benzinpreise tanzten Rock‘n Roll mit unserem Geldbeutel, Opel bekam einen herrlichen Allradplatten und der liebe Wolf hat mit Genuss unser Pferd verspeist, weil die gute Stute börsengedopt der Wolfsburg ans Gemäuer gestrullert hat.

Jetzt wurde auch noch der Zug der Lemminge von Paris nach Bratislawa gerichtlich tief getunnelt. Und über allen Wipfeln ist Grün, und mit heißem Bemüh‘n, grünst bald auch du. Und was machen wir Undankbaren? Suchen doch nach Schuldigen. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Schuld sind die anderen. Wir selbst sind es nicht. Dazu fehlt uns die Zeit. Wie soll man da noch hinschauen, verantworten, sich einmischen?

Drum lasst uns die Welt fröhlich schön saufen und wegfernsehen. Es reicht zum Glück alle vier Jahre sein Kreuz in die Urne zu tragen. Danach können wir Wahlvolk weiter in aller Ruhe baden gehn.

01.08.2009
(Ausgabe August 2009)