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Kolumne Klaus Birk Dezember
Alles super, alles Stuttgart: Wie-wa-wei
Klaus Birk, Kabarettist
Es träufelt wieder sanft gen vollbekerzten Nadelbaum. Harmonie- Wehen setzen langsam ein. Geschenksuch- Augen wandern wund von Schau zu Fenster. An jeder Ecke lauert Besinnlichkeit und Armeen von Coca-Cola-Nikoläusen rolltreppen sich hinauf und hinunter in die Kinderabteilungen der Schenkstress- Tempel.
Svens und Björns, Olgas, Tamaras und jede Menge Desiresen werden durch die entgegenkommenden Menschen-Wellen gepresst, nur um letzte Frei-Lebkuchen und Bonbon- Schnäppchen zu ermampfen.
Verstoßene haben bittend den Hut vor sich aufgestellt. Vergebliche verglühen im Wein oder liegen gebunden vor dem TV, um sich, mit Bier in der Hand, träumen zu lassen in eine bessere Welt. Einsamkeit erhebt ihre tausend Häupter aus Löchern und Ritzen, rattengleich, und schleicht sich heimlich in die Herzen mit den heruntergebrannten Lichtern.
Weihnachtslieder, gefangen genommen von den Göttern der Kaufkraft, werden gegen ihren Willen durch Lautsprecher hinaus gejagt, in Straßen und Eisbahnen, Züge, Fahrstühle und Würstchenbuden, in Fußgängerzonen und S-Bahnhöfe. Dort singen sie die Weihnacht sechs Wochen lang in jede Tageszeit hinein und treiben die gefangenen Konsumenten vor sich her zu deren Einkaufs- Muster-Zellen.
Weihnachtsmärkte wuchern in jeder Stadt, lassen Weine verdampfen und verduften den Heiligen Abend schon Wochen zuvor in die urbanige Nacht.
Hetze trifft Hast, und Geiz geilt sich entblödet von Preis zu Preis. Das Ende des Jahres treibt Bilanzen vor sich her, von allen Ecken und Enden erschallet der Peitschenknall, und magerer Umsatz stolpert mit letzter Kraft dem erlösenden Ende entgegen. Stress zieht seine Furchen um Häuser und Gassen und schiebet den befreienden Urlaub genervt vor sich her.
In Reisebüros und Internetportalen werden letzte Vorbereitungen getroffen für die fliegende Völkerwanderung gen Süden ins Licht.
In Kirchen und Heimen rufen vielkehlige Chöre die Engel herbei in froher Erwartung der baldigen Ankunft.
Draußen vor den Toren der Stadt, in Feld und Flur, ist das Fest noch im Ursprung erhalten. Da sitzen Eichhörner senkrecht auf Tannenzweigen mit leuchtendem Schweif. Igel hängen gekugelt am genadelten Grün und gefrorene Regenwürmer lamettieren den windigen Zweig. Die Wildsau durchschnorchelt den Schnee nach Äpfeln und Nüssen, um zu decken den festlichen Grund. Und Hase und Reh, Fuchs als auch Dachs, umkreisen den Baum und singen dem Höchsten ihr Lied.
Urbane Mäuse bieten Pflaumen wohlfeil, Birnenkerne und Wurzelbraun. Erzählen vom Menschen, vom Keifen und Kaufen, von Kummer und Krisen.
Geflockter Schnee schwebt summend herab und hüllet ein den festlichen Tann. Von fern her wehet herüber ein besänftigter Wind, erzählet vom Menschen und wie er gedacht, und wer alles kam zu verkünden seine Herrlichkeit (sein Heil). Und was er vergessen im Laufe der Kriege, des Rausches und unsäglicher Gier.
Er erzählt vom Hoffen, vom Weinen und Sehnen und Bitten um Heilung. So verkündet er froh, das Ende der Zeit, des Wartens, der Pein. Dann erstrahlet der Wald, in gleißendem Schein und vom Himmel hernieder fällt klatschend das Heil. Und mit lieblicher Stimme ruft es sobald: „Wer will eine Pepsi?“ Schon sägt der Motor, schon fallen die Bäume. Es fliehet das Eichhorn, der Igel, das Reh. Behandschuhte Hände ergreifen den Tann und tragen Natur in die Häuser der Stadt. Wo alte Augen, erloschen im Geiz, beklagen der Kerzen flammenden Schein. Und fordernd fragen den strahlenden Baum: Wo ist sie zu finden, die Hoffnung, die Kraft, die einst uns dies Kind soll haben gebracht? Die Frage verbrennt, danach kommt die Werbung und von sich getrunken wird die Welle der Pein. Doch in den Augen der Jüngsten tanzet das Kind und strahlet hinaus ins TV-müde-Heim.
Ich wünsch’ uns zur Weihnacht, im Auge den Tanz, zu sein wie die Kinder in himmlischem Glanz.
28.11.2009
(Ausgabe Dezember 2009)