Seelsorger auf vier Rädern

Taxi Taxi

Mehr als 4.000 Straßen gibt es in Stuttgart – Hakan Eksi kennt sie alle.
Heute ist alles digital - das Taxameter sitzt hinter dem Rückspiegel und projiziert den Fahrpreis direkt auf das Glas.
Taxifahrer Hakan Eksi hat in Stuttgart schon mehr als eine Million Kilometer zurückgelegt.

Hakan Eksi hat nicht einen Job, sondern vier. „Ein Taxifahrer ist Psychologe, Seelsorger und Kindermädchen in einem“, erklärt der gebürtige Türke, der in Stuttgart aufgewachsen ist. Manchmal schütten ihm seine Fahrgäste ihr Herz aus. So wie der Mann, der ihn fragte, was er mit seinem Erbe von 50.000 Euro machen solle – seine Wohnung abzahlen oder ein BMW Cabrio kaufen. Hakan Eksi riet ihm zum Abzahlen. Später fuhr er den Gast noch einmal und er bedankte sich für den Rat. „Er sparte schon auf sein Cabrio“, berichtet Hakan Eksi.
Hilfsbereitschaft ist gefragt
Der 39-Jährige hilft, wo er kann. Touristen verrät er, wo sie die besten Kneipen finden, für ältere Leute erledigt er den Einkauf oder bringt Medikamente nach Hause und junge Mädchen fährt er in die Disco.
Prominente Fahrgäste
Auch Prominente sitzen immer wieder in seinem Taxi. So wie der Kabarettist Dieter Nuhr oder der Musiker Ziggy Marley, der älteste Sohn der jamaikanischen Reggae-Legende Bob Marley.
Kuriose Verwechslung
Noch heute bilden sich Lachfalten um Hakan Eksis Augen, wenn er daran denkt, wie er Ziggy Marley in die Innenstadt brachte, um ein Fußballoutfit zu kaufen. „Ein Karstadt-Mitarbeiter wollte ein Autogramm haben, aber da er Ziggy Marley nicht erkannte, bat er Marley’s Bodyguard um ein Autogramm“, erzählt Hakan Eksi und lacht. Schließlich klärte sich der Irrtum auf und der Mitarbeiter bekam das richtige Autogramm.
"Der coolste Promi, den ich gefahren habe"
Für Hakan Eksi war der Tag damit aber noch nicht vorbei. Ziggy Marley nahm den Stuttgarter Taxifahrer mit aufs Fußballfeld zu einem Freundschaftsspiel mit SWR-Moderatoren und ehe sich Eksi versah, hielt er eine VIP-Karte für Marleys Konzert in der Hand. „Ziggy Marley war der coolste Promi, den ich je gefahren habe“, ist sich Eksi sicher.
Sechs Stunden Warten pro Tag
Trotz all der Erlebnisse ist der Job oft alles andere als spannend. Im Schnitt verbringt ein Fahrer sechs Stunden pro Tag nur mit Warten. „Die wichtigste Eigenschaft eines Taxifahrers ist Geduld“, sagt Hakan Eksi überzeugt. Während sich seine Kollegen die Zeit mit ihrer Gitarre oder einem Buch vertreiben, spielt Eksi am liebsten auf seiner Play Station. Nicht etwa Autorennen, sondern „Brain Quiz“ – Gehirnjogging für zwischendurch.
GPS und Datenfunk
Wie alle Stuttgarter Taxifahrer ist auch Hakan Eksi über die Nummer 55 10 000 der Taxi-Auto-Zentrale erreichbar. Dort weiß man stets, wo er sich befindet. Die moderne Technik hat in die Fahrzeuge Einzug gehalten, sie sind mit GPS-Empfängern und Datenfunk ausgestattet. Die Position des Wagens wird automatisch an die Zentrale übermittelt und auf dem Display des Datenfunkers erscheinen die Ziffern 101. „Das ist der Sektor, in dem ich mich befinde. 101 steht für den Hauptbahnhof“, erklärt Eksi. Sobald er den Sektor verlässt, wechselt die Anzeige automatisch.
"Heute ist alles digital"
Es piept. Ein Auftrag erscheint auf dem Display. Um ihn anzunehmen, muss Eksi nur einen Knopf drücken, wenige Sekunden später erhält er die Bestätigung. „Sprechfunk war früher, heute ist alles digital“, sagt der 39-Jährige. Auch das Taxameter hat sich verändert. Es sitzt hinter dem Rückspiegel und projiziert den Fahrpreis direkt auf das Glas. So kann ein Kunde auch vom Rücksitz aus sehen, was er zahlen muss.
60 Prozent der Fahrgäste sind Stuttgarter
Die Technik ist modern, doch die Fahrgäste sind dieselben geblieben. 60 Prozent von ihnen sind Stuttgarter. Zu Eksis Stammgästen zählen Geschäftsleute, Rentner und ein amerikanischer Soldat, der ihn nur „My man“ nennt. Egal wen er fährt, die Privatsphäre seiner Kunden ist ihm heilig, vor allem bei Prominenten. Wer sich nach hinten setzt, will meist seine Ruhe haben. Auf seine Menschenkenntnis kann Hakan Eksi sich verlassen – selbst wenn es brenzlig wird.
Ruhe zahlt sich aus
„Einmal stieg ein junger Mann ein und sagte nach einer Weile: Das wird deine letzte Fahrt.“ Hakan Eksi reagierte nicht, sondern fuhr einfach weiter. Der junge Mann wiederholte seine Drohung, doch Eksi ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er machte ihm klar, welche Regeln in seinem Taxi gelten – damit war die Sache erledigt. Manch anderer Gast wollte schon die Zeche prellen. „Das sind immer dieselben. 18- bis 25-Jährige, die morgens um fünf aus der Disco kommen und wegen 15 bis 30 Euro eine Straftat riskieren. Das ist einfach lächerlich“, meint Eksi.
Sicherheit geht vor
Manchmal bekommt er auch die Aufforderung vom Fahrgast doch etwas schneller zu fahren. „Ich zahle auch den Strafzettel“, heißt es dann. Doch für Hakan Eksi geht die Sicherheit im Straßenverkehr vor. Auch wenn er schon das ein oder andere Mal die Verspätung eines Fliegers oder der Bahn wieder aufgeholt hat. „Zwei Soldaten habe ich in 35 Minuten vom Stuttgarter Hauptbahnhof an den Tübinger Bahnhof gebracht, weil sie den Zug verpasst hatten. Sonst wäre ihnen der Ausgang gesperrt worden, aber so haben sie es geschafft.“
Autofahrer aus Leidenschaft
Bereut hat er seinen Job nie. „Ich fahre leidenschaftlich gern Auto – egal wohin“, sagt Hakan Eksi und lacht. Mehr als 4.000 Straßen gibt es in Stuttgart – Hakan Eksi kennt sie alle. Auch ohne die Hilfe moderner Technik. Die Taxiprüfung musste er ohne Navigationsgerät bestehen. „Wenn das Navi mal ausfällt, muss ich wissen, wo es langgeht“, betont er. Aus dem Radio ertönt leise Klaviermusik. Am liebsten hört der türkischstämmige Stuttgarter klassische Musik. Das wissen auch seine Gäste zu schätzen.
"Ich habe gern mit Menschen zu tun"
Insgesamt hat Hakan Eksi schon mehr als eine Million Kilometer zurück gelegt und mit seinen Geschichten könnte er ein ganzes Buch füllen. Trotz der vielen Warterei macht der Job ihm Spaß. „Ich habe gern mit vielen verschiedenen Menschen zu tun.“ (CH)

28.02.2009
(Ausgabe März 2009)