INTERVIEW
Stuttgart ist Stuttgart
Hansi Müller ist ein vielbeschäftigter Mann. Der Europameister von 1980 berät Firmen und hält Motivationsvorträge im In- und Ausland. Zwischen zwei Meetings findet er Zeit für ein Gespräch.
GOOD NEWS:
Wir freuen uns, dass Sie zwischen Ihren Besprechungen Zeit für dieses Interview finden. Worin besteht denn Ihre heutige berufliche Tätigkeit?
Hansi Müller:
Ich bin in viele Veranstaltungen für verschiedene Firmen involviert, für die ich beratend tätig bin, gestalte Events mit und halte Motivationsvorträge im In- und Ausland. Darüber hinaus bin ich als Testimonial in eine Werbekampagne von Möbel Hofmeister, einem Partner des VfB Stuttgart, eingebunden.
GOOD NEWS:
Ihre Biografie ist eng mit Stuttgart verbunden. Haben Sie als junger Fußballer direkt beim VfB Stuttgart angefangen?
Hansi Müller:
Ich bin in Stuttgart geboren und aufgewachsen und habe bereits mit sechs Jahren im Verein gespielt, beim SV Stuttgart-Rot. Mit zwölf Jahren bin ich zum VfB Stuttgart gekommen und habe da sechs Jahre bis zur A-Jugend gespielt. Direkt im Anschluss habe ich einen Profi-Vertrag bekommen. Nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga habe ich noch fünf Jahre beim VfB gespielt. Mit 25 hatte ich die einmalige Chance, zu Inter Mailand zu wechseln. Dann ging’s nach Como, von dort aus für fünf weitere Jahre nach Innsbruck.
GOOD NEWS:
Hat sich durch diese internationale Erfahrung Ihr Blick auf Stuttgart verändert?
Hansi Müller:
Man zieht natürlich schon Vergleiche, wenn man im Ausland gelebt hat. Aber ich muss sagen, die Entwicklung, die Stuttgart in den letzten fünf bis zehn Jahren gemacht hat, die ist schon gigantisch. Wenn ich allein den Neckarpark sehe – was sich da alles abspielt mit dem Mercedes-Benz Museum, nebenan der neuen Niederlassung, das Stadion gegenüber, die Porsche-Arena, die Schleyerhalle. Auch in der Innenstadt hat sich viel getan: der Friedrichsbau, das Kunstmuseum. Man darf nicht den Fehler machen und sagen: „Stuttgart muss eine Weltstadt sein.“ Stuttgart ist Stuttgart und soll sich auf seine Stärken, das Überschaubare und Gemütliche, auf die tolle Atmosphäre konzentrieren. Das ist wichtig.
GOOD NEWS:
Sie sind ja auch nah an den Fußball-Profis von heute dran: Was hat sich im Fußball verändert zwischen früher und heute? Haben Sie das Gefühl, dass Spieler heute eher die Bodenhaftung verlieren?
Hansi Müller:
Sie unterliegen heute zumindest zwei großen „Tests“, die wir früher nicht hatten. Wenn ich sehe, dass Spieler heute teilweise das Fünf- oder Zehnfache wie wir früher verdienen, dann stellt sich die Frage, wie du charakterlich in der Lage bist, das als junger Mensch zu verarbeiten, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Der zweite Punkt ist die Veränderung der Medienlandschaft. Die Aufmerksamkeit, die die Spieler heute bekommen, ist – im positiven wie im negativen Sinne – weitaus größer. Unter diesen Bedingungen ist es nicht immer leicht für einen Fußballer, allen und allem gerecht zu werden.
GOOD NEWS:
Sie haben ein enges Verhältnis zum VfB Stuttgart. Sind Sie VfB-Fan mit Leib und Seele?
Hansi Müller:
Wenn man in Stuttgart geboren ist, bei dem Club 13 Jahre gespielt hat, im Moment bei der VfB-Traditionsmannschaft spielt und bei jedem Heimspiel im Stadion ist, dann ist ja klar, dass eine große Nähe zum VfB da ist. Ich habe meine Karriere beim VfB gestartet und bin als VfB-Spieler Europameister und Vize-Weltmeister mit der Nationalmannschaft geworden. Das sind schon Dinge, die einen ganz eng mit dem Verein verbinden.
GOOD NEWS:
Wie schätzen Sie den VfB Stuttgart in dieser Saison ein?
Hansi Müller:
Der VfB hat im Moment das Problem, dass ein paar ganz wichtige Spieler nicht zur Verfügung stehen. Vor allem Bastürk und Simak fehlen. Die beiden sind zuständig für das Überraschungsmoment, für das Kreative, für die Spielkultur, weil sie einfach tolle Fußballer sind. Zudem wirst du als Meister der vorletzten Saison auch mehr gejagt und stehst unter Beobachtung. In dem Jahr, als der VfB Meister geworden ist, hat er international nicht gespielt. Jetzt sind sie international dabei und das ist auch eine zusätzliche Belastung für die Spieler. Dann ist es schwer, das Niveau zu halten. Der VfB ist im Moment in einer nicht einfachen Phase: In den nächsten Spielen muss die Mannschaft wieder punkten, damit die Blickrichtung nach oben geht und nicht nach unten.
GOOD NEWS:
Diese Saison sind ja noch zwei weitere baden-württembergische Vereine in der ersten Bundesliga vertreten.
Hansi Müller:
Grundsätzlich finde ich es gut, wenn Baden-Württemberg gut in der Bundesliga vertreten ist. Hoffenheim und Karlsruhe beleben die Bundesliga ungemein – und natürlich auch die Konkurrenzsituation. Klar kann man dann sagen: „Mensch, Hoffenheim steht jetzt da oben und der VfB ist irgendwo im Mittelfeld“, aber darauf konzentriert sich der VfB nicht. Die schauen, dass sie ihre Hausaufgaben machen und wieder ein bisschen in der Tabelle nach oben kommen.
GOOD NEWS:
Sie haben 2007 die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg erhalten. Wofür wurden Sie ausgezeichnet?
Hansi Müller:
Zunächst einmal hat mich das sehr gefreut als Stuttgarter, als Baden-Württemberger so eine hohe Auszeichnung von Günther Oettinger zu bekommen. Es waren einige ganz nette Mitstreiter dabei, die die Medaille bekommen haben – ich denke an Königin Silvia von Schweden, Wendelin Wiedeking oder Xavier Naidoo. Das war schon ein sehr illustrer Kreis. Ein Grund für die Auszeichnung war mein Engagement als WM-Botschafter für Stuttgart. Mir ist es wichtig, meine Heimatstadt international zu vertreten – sowohl durch meine Auslandsaufenthalte als auch als Nationalspieler. Deshalb habe ich es sehr genossen, an meinem 50. Geburtstag das 25. Jubiläum des WM-Finales von 1982 zwischen Italien und Deutschland mit 40.000 Zuschauern zu feiern. Das war eine gute Gelegenheit für mich, Dankbarkeit zu zeigen und Stadt, Land und Region etwas zurückzugeben für das, was mir der Fußball hier gegeben hat. Dass dabei auch noch ein Betrag von über 300.000 Euro für die Olgäle-Stiftung zusammenkam, ist einfach riesig!
GOOD NEWS:
Was ist Ihre gute Nachricht des Monats?
Hansi Müller:
Was mich sehr gefreut hat, ist die Wahl von Barack Obama zum neuen US-Präsidenten und parallel dazu der Formel-1-Sieg von Lewis Hamilton. Ich denke, dass das ein sehr schöner Moment ist, dass ein Dunkelhäutiger Präsident wird und ein Dunkelhäutiger jüngster Formel-1-Weltmeister wird. Ich hoffe, dass viele Vorurteile damit aus der Welt geräumt werden. Jeder Mensch – unabhängig von seiner Hautfarbe – verdient Respekt und Achtung. Und Obama und Hamilton können da als Vorbilder sicherlich einiges bewirken.
GOOD NEWS:
Hansi Müller, vielen Dank für das Gespräch.
(VP)