Eric Gauthier im Theaterhaus Stuttgart
Vorspiel mit Luftgitarre
Eric Gauthier probt gerade die Stücke für seine neue Produktion „Four Play“
. Wir treffen ihn in der Mittagspause im Theaterhaus Restaurant.
GOOD NEWS:
Was essen Sie?
Eric Gauthier:
Ich nehme die Kalbshaxenscheiben mit Nudeln.
GOOD NEWS:
Hat ein Tänzer mit Gewichtsproblemen zu kämpfen?
Eric Gauthier:
Im Moment gar nicht, weil ich sehr viel für unsere neue Produktion arbeite. Um 8 Uhr mache ich eineinhalb Stunden Yoga. Ab 10.30 Uhr steht das Ballett-Training mit der Compagnie an. Danach werden die neuen Stücke geprobt.
GOOD NEWS:
Sie leben seit dreizehn Jahren in Stuttgart. Wie haben Sie die Stadt anfangs erlebt und wie hat sie sich verändert?
Eric Gauthier:
Ich war gerade mal 17 und kam von Kanada nach Stuttgart. Als Reid Anderson 1996 Intendant des Stuttgarter Balletts wurde, hat er mich mitgenommen, und die Arbeit mit ihm war ungemein spannend. Natürlich war es anfangs schwer, die Sprache zu lernen und Freunde zu gewinnen. Aber das hat sich bis heute sehr verändert. Früher habe ich immer gesagt, Stuttgart sei mein zweites Zuhause. Jetzt spreche ich nur noch von meinem Zuhause.
GOOD NEWS:
Jedenfalls haben Sie hier eine Menge Fans gewonnen.
Eric Gauthier:
Ich nenne sie lieber Freunde als Fans, denn die vielen Freunde, die kommen, um uns zu sehen, geben uns mindestens genauso viel wie wir ihnen. Als wir die Gauthier Dance Company gründeten und im Januar 2008 die erste Produktion präsentiert haben, kam natürlich sehr viel Publikum aus dem Stuttgarter Ballett und meine Musikfans. Und es wurden ständig mehr. Mittlerweile füllen wir mit unseren Vorstellungen sogar den großen Saal im Theaterhaus.
GOOD NEWS:
Wie hat Ihr Mentor Reid Anderson reagiert, als Sie vom Stuttgarter Ballett weggingen, um Ihre eigene Compagnie zu gründen?
Eric Gauthier:
Ich bezeichne Reid Anderson als meinen „Ballett-Papa“. Wir kennen uns seit über fünfzehn Jahren, und er hat mich immer sehr unterstützt. So war das auch, als ich mein eigenes Ding machen wollte.
GOOD NEWS:
Sie sind vom klassischen Ballett in den zeitgenössischen Tanz gewechselt. War das für Sie die Lust auf etwas Neues oder eher ein Befreiungsschlag?
Eric Gauthier:
Beides. Ich liebe das klassische Ballett, aber ich habe auch schon während meiner Zeit am Stuttgarter Ballett immer wieder moderne – oder wie wir sagen: neoklassische – Choreographien etwa von William Forsythe oder Christian Spuck getanzt. Die Stücke, die ich heute bevorzuge, sind natürlich freier oder befreiender, auch wenn sie auf klassischen Figuren aufbauen.
GOOD NEWS:
Tatsächlich hat man in Ihren Stücken das Gefühl, dass die klassischen Posen nach wie vor präsent sind, aber immer auch ironisch gebrochen werden…
Eric Gauthier:
Das ist richtig. Ich finde, dass Tanz oftmals viel zu ernst genommen wird. Ich bin mehr für Humor oder Leichtigkeit zu haben. Dabei lege ich größten Wert auf tänzerische und choreographische Präzision. Denn „leicht“ ist auf keinen Fall zu verwechseln mit „einfach“. Ich kann mich erinnern, dass eine Kritikerin über die erste Vorstellung von Gauthier Dance sinngemäß schrieb, Sie wünsche sich für die nächste Produktion mehr Ernst und weniger Humor. Was ist so schlimm an Humor? Eine Menge Leute kommen zu uns, um einfach Spaß zu haben.
GOOD NEWS:
Apropos: Was macht Ihnen mehr Spaß, Tanzen oder Choreografieren?
Eric Gauthier:
Oh je … Das ist eine schwierige Frage.
GOOD NEWS:
Anders gefragt: Tanzen Sie alle Stücke, die Sie choreographieren, auch selbst?
Eric Gauthier:
Nein. Es gibt eine Ausnahme, das Stück „Air Guitar“ oder „Luftgitarre“, das ich für mich choreographiert habe und auch selbst tanze. Ansonsten choreographiere ich die Stücke für einen bestimmten Tänzer. Jeder Tänzer und jede Tänzerin bringt ganz spezielle körperliche Voraussetzungen und eine besondere Art und Weise der Bewegung mit. Wenn ich also ein neues Stück choreographiere, habe ich immer eine genaue Vorstellung davon, wie der jeweilige Tänzer das Stück tanzen wird.
GOOD NEWS:
Sie sind Choreograf, Tänzer und Musiker – wie wichtig ist die Musik für den Tanz?
Eric Gauthier:
Sehr wichtig. Zu den meisten Choreographien habe ich die Musik selbst gemacht. Mittlerweile habe ich leider zu wenig Zeit, um zu komponieren. Deshalb suche ich zunehmend die passende Musik für ein neues Stück.
GOOD NEWS:
Das heißt, die Musik ist zuerst da, und dann kommt die Choreographie?
Eric Gauthier:
Am Anfang steht ein Thema oder eine Idee. Dann kommt die Musik, die die Idee transportiert und gewissermaßen den Rahmen für die Choreographie absteckt.
GOOD NEWS:
Ein Stück aus Ihrer neusten Produktion hatte bereits an Weihnachten Weltpremiere: „Björk Duets“.
Eric Gauthier:
Das war nur ein Testlauf. Gewissermaßen ein „Non Finito“ ohne Anfang und Ende. Die drei Paare, die darin die Hauptrolle spielen, werden jetzt Teil einer runden Beziehungsgeschichte.
GOOD NEWS:
Was erwartet uns bei den anderen Stücken Ihrer neuen Produktion „Four Play“?
Eric Gauthier:
Es sind fünf Stücke, die sehr viel Abwechslung versprechen: William Forsythes „Duo“, die Uraufführung des Stückes „What It Is“ von Philip Taylor und Jiri Kyliáns „Double You“, das ich solo tanzen werde. Dazu kommen die „Björk Duets“ und die Uraufführung der „Seasons“, einer sehr persönlichen Hommage an die Jahreszeiten. Die Musik ist dabei genauso spannend wie die Tanzstücke – von Bach und Björk über Jacques Brel bis zu Antonio Vivaldi und Amy Winehouse.
GOOD NEWS:
Haben Sie eine gute Nachricht des Monats für uns?
Eric Gauthier:
Ja klar. Nach „Six Pack“ und „High Five“ bringt Gauthier Dance am 10. März wieder eine neue Produktion auf die Bühne! Und am Freitag, den 13. März, feiere ich mit einem Konzert meinen Geburtstag in der Rosenau.
GOOD NEWS:
Herr Gauthier, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute für die Premiere.
(RC)
Die neue Produktion „Four Play“ von Gauthier Dance hat am 10. März 2009 im Theaterhaus Premiere. Weitere Vorstellungen am 11. und 12. März sowie am 13., 14. und 15. April.