Wolkenkratzer im Stadtgebiet

Wo wir sind, ist oben!

Einer weist den Weg in die Zukunft, ein anderer ehrt einen großen Staatsmann und noch einer ist untrennbar mit der Musik verbunden. Jeder von Stuttgarts Türmen hat einen ganz eigenen Charakter. Mal filigran, mal massiv, mal aus Sandstein, mal aus Beton gebaut. Wer sie besteigt, wird nicht nur mit einem wundervollen Ausblick belohnt, sondern begibt sich auch auf eine Reise durch die Zeitgeschichte.

leer  
Der wuchtige Musikhochschulturm folgt einem Entwurf des Briten James Stirling. Er beherbergt den großen Konzertsaal der Musikhochschule.
leer  
Der Tagblattturm gilt als erster Wolkenkratzer Deutschlands. Seinerzeit war er das erste Gebäude, das ganz in Sichtbetonbauweise ausgeführt war und daher sehr umstritten. Heute gilt der Turm als bedeutendes architektonisches Zeitzeugnis.

Höhe: 217 m mit Sendemast
Eröffnung: 5. Februar 1956
Standort: Hoher Bopser Stuttgart-Degerloch, 483 m ü.d.M.
Öffnungzeiten: 9:00 – 22:30 Uhr
Eintritt: 5 Euro
Wahrzeichen der Stadt
Seine Nachkommen stehen in Frankfurt, Johannesburg oder Peking. Er ist der ganze Stolz der Schwaben – der erste Fernsehturm der Welt. Vom Hohen Bopser aus ragt er 217 Meter in den Himmel und bietet einen atemberaubenden Ausblick. Zu verdanken haben die Stuttgarter ihr heutiges Wahrzeichen dem renommierten Ingenieur Fritz Leonhardt. Er schlug dem Südwestfunk vor, statt dem üblichen Gitterturm für ihre Sendemasten eine moderne Betonnadel mit Aussichtsplattform zu bauen – so entstand in nur 20 Monaten Bauzeit der Fernsehturm. Heute kommen 350.000 bis 400.000 Gäste pro Jahr, um die Aussicht vom Schwarzwald bis zur Schwäbischen Alb zu genießen. Selbst Königin Elisabeth II und Michael Schumacher haben ihn bereits besucht. Hinauf geht es dank moderner Technik in nur 36 Sekunden.
Höhe: 20 Meter
Eröffnung: 16. Juli 1904
Standort: am Rande des Killesbergs (auf dem Gähkopf)
Öffnungzeiten: samstags von 15-19 Uhr, sonntags von 11 bis 19 Uhr bzw. bis Einbruch der Dunkelheit
Eintritt: 0,50 Euro
„Götterdämmerung“
Er ist einer der ältesten Türme Stuttgarts und erzählt eine lange Geschichte: der Bismarckturm. Einst loderten meterhohe Flammen zu Ehren des Reichsgründers von seiner Spitze. Nicht umsonst hatte Architekt Wilhelm Kreis seinen Entwurf „Götterdämmerung“ genannt. Heute ist von der Feuerschale nichts mehr zu sehen. Erst wurde der bastionsartige Bau zum Wasserturm umfunktioniert, dann lange Jahre wegen Baufälligkeit geschlossen. Erst 2002 konnte er nach einer umfassenden Sanierung wieder eröffnet werden. Dafür bietet er heute von seiner Plattform aus einen umfassenden Panoramablick über ganz Stuttgart, bis hin zur Geislinger Alb – fast wie vom Fernsehturm, nur familiärer. Erbaut wurde er vor über 100 Jahren auf Initiative der Studenten von der Technischen Hochschule Stuttgart. Er war nicht der einzige: auf der ganzen Welt gibt es heute noch 172 Bismarcktürme.


Höhe: 46 m
Eröffnung: 1996
Standort: Urbanstraße 25, Stuttgart-Mitte
Öffnungzeiten: rund um die Uhr
Eintritt: frei
Hier spielt die Musik
Wer an Türme denkt, verbindet damit nicht unbedingt Bach oder Beethoven. Aber genau das macht den Musikhochschulturm aus. Schöne Klänge dringen regelmäßig aus dem Bauch des runden Riesen. Dort liegt der große Konzertsaal, in dem Studierende, Dozenten und Gäste ein abwechslungsreiches Programm von der Klassik bis zur Moderne präsentieren. Seine Dachterasse ist weit weniger bekannt, doch umso einladender. Denn von hier aus lässt sich bei einer gemütlichen Tasse Kaffee ein Blick auf das bunte Treiben der Stadt werfen. Die runden und eckigen Fenster geben portionierte Blicke auf den Fernsehturm, den Bahnhof oder den Landtag frei. Der Entwurft stammt von den Architekten James Stirling und Michael Wilford, die in den 90er Jahren die gesamte Hochschulanlage mit Turm konzipierten. Noch heute ziert er das Logo der Musikhochschule. Wahrlich ein Turm, in dem die Musik spielt.
Höhe: 41 m
Eröffnung: 17. Juli 2001
Standort: Killesbergpark
Öffnungzeiten: rund um die Uhr
Eintritt: freiwillige Spende
In luftigen Höhen
Wer die Stufen des filigranen Killesbergturms erklimmt, sollte schwindelfrei sein. Denn bei leichtem Wind kann die moderne Stahlseil-Konstruktion ein wenig ins Wanken geraten – ein bewegender Moment. Für seine moderne Architektur wurde der Turm 2002 mit dem Ingenieurspreis ausgezeichnet. Beim Aufstieg tritt man über unzählige Namen hinweg – edle Spender, die den Bau des Turms erst ermöglicht haben. Vorbei geht es an vier Plattformen auf acht, 16 und 24 Meter Höhe bis auf 31 Meter. Neben seiner ungewöhnlichen Form hat der Killesbergturm noch eine Besonderheit zu bieten: Nicht eine, sondern gleich zwei Wendeltreppen winden sich nach oben. Bauingenieur Jörg Schlaich hatte ein Kindheitstrauma zu verarbeiten. Als kleiner Junge musste er mit seinen Eltern Kirchtürme besteigen und begegnete auf dem Weg nach unten in der Enge stets den schwitzenden Aufsteigern. Deshalb gibt es am Killesbergturm eine Treppe für den Abstieg und eine für den Aufstieg.

Der Tagblatt-Turm
Höhe: 61 m
Eröffnung: 5. November 1928
Standort: Eberhardstraße 61, Stuttgart-Mitte
Öffnungzeiten: nicht öffentlich zugänglich
Eintritt: frei
Der erste Wolkenkratzer
Seine Höhe von 61 Metern gilt heute eher als beschaulich, doch für Ernst Otto Oßwald wurde es der Bau seines Lebens. Mit dem Tagblatt-Turm schuf er den ersten Wolkenkratzer Deutschlands. Einst diente er dem Stuttgarter Neuen Tagblatt als Redaktionssitz, später der Stuttgarter Zeitung. Als diese nach Möhringen umzog, wäre der Turm wegen seiner veralteten Bausubstanz fast abgerissen worden. Doch der Gemeinderat fasste sich ein Herz und stellte ihn unter Denkmalschutz – heute gilt er als einer der bedeutendsten Architekturdenkmale der Stadt. Zwar ist seine Spitze nicht öffentlich zugänglich, doch dafür hat sein Hinterhof umso mehr zu bieten: Er ist vom künstlerischen Schlag. „Unterm Turm“ sind gleich fünf Kunst- und Theatereinrichtungen zu finden. Kein Wunder, wohnte doch einst Schiller nur eine Tür weiter.

Der Bahnhofsturm
Höhe: 56 m
Eröffnung: 21. Oktober 1922
Standort: Hauptbahnhof
Öffnungzeiten: April-September: Mo-So 10 bis 21 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr
Oktober-März: Di-So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr

Der Turm mit dem Stern
Täglich eilen Hunderte auf dem Weg zur Arbeit an ihm vorüber – doch nur wenige haben jemals sein Dach betreten. Noch unbekannter ist die Tatsache, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof eigentlich ein Pfahlbau ist: Er ruht wegen des schlammigen Untergrunds auf 290 Eichenpfählen. Zusammen sind sie drei Kilometer lang. Damit überstand er sogar den Krieg, allerdings nicht unbeschadet. Die teure Sanierung ließ sich nur durch Spenden bezahlen – deshalb dreht noch heute ein Mercedes-Stern auf seinem Dach. Auch eine ungewöhnliche Nutzung sollte Geld in die Kassen bringen. Die obersten sechs Geschosse des Bahnhofsturms wurden zwischenzeitlich zu Hotelzimmern umfunktioniert. Heute weist der Turm den Weg in die Zukunft: Auf drei Ebenen präsentiert die Bahn die Pläne zu Stuttgart 21. Werden sie umgesetzt, könnte der Blick vom Bahnhofsturm bald ein anderer sein.
Nicht nur bei Tag ist die Aussicht von Stuttgarts Türmen zu genießen – bei Nacht sind sie selbst schön anzusehen. Denn wenn es zu dämmern anfängt, heißt es bei der EnBW „Türme einschalten“. Kurze Zeit später erstrahlen der Tagblatt-Turm und der Killesbergturm in einem ganz besonderen Licht. (CH)
31.07.2008
(Ausgabe August 2008)