Modisches Stuttgart

Alles Mode, oder was?

Die Fashion-Polizei im Einsatz auf der Stuttgarter Königstraße.

Es scheint ein gewöhnlicher Freitagnachmittag in der Innenstadt zu sein. Die Stuttgarterinnen flanieren über die Königstraße und genießen das sonnige Wetter. Noch ahnen sich nichts von den Augen, die auf sie gerichtet sind. Bis zu dem Punkt, an dem ein gut gelauntes Fashion-Team auf sie zustürmt und um ein Foto bittet. Allerdings wird diese Ehre nicht jeder zuteil. Das Style-Finder-Team eines Frauenmagazins, bestehend aus Fashion Police-Mädels, einer Stylistin und einem Fotografen, hat sich in die Schwabenmetropole begeben, um den besten Street-Style-Look Stuttgarts zu finden.

Das gewisse Etwas

Kopf der Mode-Polizei ist die Stylistin Kirstin Katerkamp. Mit Adleraugen durchleuchtet sie die Königstraße nach lässigen Outfits. Die studierte Modedesignerin ist streng, nicht jeder darf vor die Linse des Profi-Fotografen: „Wir achten auf einen individuellen, ausgefallenen Stil mit dem gewissen Etwas, schließlich wollen wir den interessantesten Look Stuttgarts finden.“

Ein stimmiges Gesamtbild

Eine schöne, sehr große Frau im Minirock und mit auffälligen grünen Boots erscheint auf der Bildfläche. Trotz Interviews nimmt Kirstin Katerkamp sie wahr, aber ihre Police-Mädels schickt sie trotzdem nicht los, um die junge Dame vor die Kamera zu bitten: „Die Schuhe sind tatsächlich auffällig, aber mich muss das Gesamtbild überzeugen. Es muss stimmig sein. Oft trägt jemand klasse Schuhe, aber das Oberteil passt nicht zum Rock oder das gesamte Outfit ist einfach nicht farblich abgestimmt.“

Gut gekleidet im Doppelpack

Plötzlich Aufregung – die Stylistin entdeckt gleich mehrere interessante Outfits und schickt ihre Assistentinnen los. Die beiden Geschwister Natalie (18) und Marina (19) staunen nicht schlecht, als eine junge Dame mit schwarzem Kostüm und Schiffchen-Hut sie anspricht, ob sie denn nicht beide Lust hätten, sich für den besten Street-Style Stuttgarts fotografieren zu lassen. Die Mädchen lachen übers ganze Gesicht und sind sofort dabei. Hier liegt das modische Händchen wohl in der Familie, trotz unterschiedlicher Geschmäcker, wie Natalie erzählt: „Ich stehe mehr auf chic und Marina eher auf elegant, dennoch tauschen wir öfter Klamotten und beraten uns natürlich gegenseitig.“ Marina gibt sogar etwas verlegen zu, dass Mode ihr Hobby ist: „Mode ist mir sehr wichtig, trotzdem brauche ich nicht viel Zeit zum Stylen. Wenn ich eine Vorstellung von einem Outfit im Kopf hab, dann probiere ich das einfach aus. Hierbei kombiniere ich eigene Vorstellungen mit den gängigen Modetrends aus den Zeitschriften.“

Mode auf der Straße

Berlin, Hamburg, Dresden und Düsseldorf sind vom Fashion-Team bereits unter die modische Lupe genommen worden. Mode spielt sich nicht in den Schaufenstern der Boutiquen ab, sondern vielmehr in den Cafés und Fußgängerzonen der Städte, so die Idee hinter der Aktion.

Die Entstehung von Trends

Doch wer setzt einen Trend in Bewegung? Sind es die Designer an ihren Zeichenblöcken oder inspirieren vielmehr die Menschen auf der Straße die Designer zu modischen Kreationen? Kirstin Katerkamp ist sich sicher, dass Eine bedingt das Andere: „Gehen wir von Designern aus, die tragbare Mode entwerfen, so sehe ich das Ganze als eine wechselseitige Beziehung. Und das ist auch ein Grund dafür, warum wir das alles hier machen. Wir wollen herausfinden, ob und wie sich die Mode-Trends auf der Straße widerspiegeln. Aber wir schauen nochmal speziell auf den einzigartigen und individuellen Charme der jeweiligen Städte.“

Jede Stadt ist modisch anders

Wie sich auf der bisherigen Style-Finder-Tour herausstellte, gleicht modisch keine Stadt der anderen: „Jede Stadt hat ihren eigenen individuellen Mode-Stil. Berliner kleiden sich anders als Düsseldorfer oder Dresdner, doch jeder auf seine Art sehr spannend und interessant. In Stuttgart sind wir zwar erst seit ein paar Stunden, doch bereits jetzt ist mir aufgefallen, dass viele Frauen Leggins und Strumpfhosen zu längeren Shirts oder Minirock kombinieren, darüber hinaus ist auffällig, dass sich Boots hier größter Beliebtheit erfreuen“, so Katerkamp.

Spaß an der Mode

Erneut fordert die Königsstraße die Aufmerksamkeit der Stylistin. Tamara taucht auf, macht mit und bewegt sich, laut Katerkamp, äußerst gekonnt vor der Kamera. Es stellt sich tatsächlich heraus, dass die 25-Jährige das nicht zum ersten Mal macht: „Ich durfte schon als Kind hin und wieder modeln. Der Spaß an der Mode ist mir seither geblieben. Ich achte sehr auf mein Äußeres, das gehört einfach zu meiner Lebensart, denn mit Mode kann man seine Persönlichkeit ausdrücken. Das bedeutet für mich auch, nicht jeden Trend mitzumachen.“

Individualität ausdrücken

Fast alle Teilnehmerinnen bei der Aktion sehen Mode als Ausdruck von Individualität, was auch Sara (26), gekleidet in ein weiß-orange gestreiftes Shirt, bestätigt: „Mir würde es gar nicht gefallen, wenn alle Menschen gleich rumlaufen. Kleider machen Leute, jeder ist anders und daher sollte sich das auch in den Klamotten widerspiegeln.“ Und Natasa (18) fügt hinzu: „Mode ist für mich Kunst, in der ich mich frei entfalten kann und – es macht mir einfach Spaß!“

Wohlfühlfaktor wichtig

Spaß haben bei der Aktion definitiv alle. Sieht man in die strahlenden Gesichter der ausgesuchten Frauen, so ist man versucht zu behaupten: Mode macht glücklich. „Da ist auch was dran“, sagt Kirstin Katerkamp. „Aber nur, wenn man sich in den Kleidern, die man trägt, auch wohlfühlt. Man sieht den Menschen an, ob sie sich verkleidet fühlen, oder ob die Klamotten, die sie tragen, einfach ihren Typ unterstützen und authentisch sind.“ Kaum gesagt, wandert ihr Blick auch wieder zurück auf die Straße, auf der Suche nach dem Street-Look Stuttgarts. Und die Stuttgarterinnen? Die haben vielleicht doch eine Ahnung – genießen aber weiterhin unbeschwert das sonnige Wetter an diesem Freitagnachmittag. (LR)

Haben modisch heute alles richtig gemacht: Natalie und Marina Bauer.
Fotosession mit einem Profi-Fotografen mitten auf der Königstraße.
01.10.2011
(Ausgabe 01. Oktober 2011)