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Ehrenamt im Gefängnis
Der Mensch, nicht die Tat
Peter Hues ging es im Leben stets gut. Daher will er sich nun engagieren.
Der Stuttgarter Peter Hues ist Rentner und engagiert sich in seiner Freizeit in einem Gefängnis. Im Februar 2011 erhielt er den Ehrenamtspreis Baden-Württemberg für sein besonderes Engagement im Ehrenamt. Mit GOOD NEWS spricht er über die Schwierigkeiten, aber auch über die Freuden, die sein Ehrenamt mit sich bringt.
GOOD NEWS:
Herr Hues, wie kamen Sie zu Ihrer ehrenamtlichen Arbeit?
Peter Hues:
Ich bin jetzt seit sechs Jahren in Altersteilzeit, davor war ich Bereichsleiter des Logistikmanagements eines großen Unternehmens. Da habe ich mir gedacht: Mir ist es immer relativ gut gegangen, jetzt möchte ich auch mal etwas Ehrenamtliches machen.
GOOD NEWS:
Und was brachte Sie auf die Idee, Häftlinge zu besuchen?
Peter Hues:
Der Lebensgefährte meiner früheren Sekretärin ist in Stammheim – nicht als Gefangener allerdings, sondern als Mitarbeiter der Anstalt. Eine andere Bekannte von mir ist außerdem Gefängnisärztin, und da dachte ich, dass ich doch mal so etwas machen könnte. Ich habe früher als Dozent gearbeitet, hatte also viel mit jungen Leuten zu tun. Auf jeden Fall wollte ich etwas mit Menschen machen.
GOOD NEWS:
Wie muss man sich einen typischen Besuch im Gefängnis vorstellen?
Peter Hues:
Zuerst werde ich an der Pforte empfangen und von einem Beamten in den Gesprächsraum begleitet. Man kennt seine Gruppe meistens schon gut, auch wenn es gerade bei den Jugendlichen viele Zu- und Abgänge gibt. Dann begrüßt man sich erst einmal herzlich. Mit den jungen Leuten spiele ich oft Tischtennis, mit den Erwachsenen ist Schachspielen oder Skat angesagt. Das ist aber oft nur der Anfang, bis man sich eben aneinander gewöhnt hat.
GOOD NEWS:
Und dann? Peter Hues: Oft kommt jemand auf mich zu und sagt: „Ich habe da ein Problem“ oder „Können Sie nicht einmal zu meinem Prozess kommen?“. Die Gefangengen haben in mir eben einen neutralen Gesprächspartner, jemanden, der nicht zum „Unternehmen Gefängnis“ dazugehört. Oft rede ich auch mit den Eltern der Häftlinge.
GOOD NEWS:
Über was reden Sie mit den Gefangenen?
Peter Hues:
Da ist zunächst einmal die Tat. Es ist oft so, dass jugendliche Straftäter anfangen zu erzählen; von der Vergangenheit, wie es zur Tat gekommen ist, die Schuldfrage, wie das Verhältnis zu den Eltern ist. Ein Beispiel war ein junger Russe, hochgradig abhängig von Betäubungsmitteln. Er erzählte mir von seinem Vater, der Mutter und Schwester misshandelt hatte. So etwas bleibt natürlich an einem hängen.
GOOD NEWS:
Gibt es auch schöne Erlebnisse?
Peter Hues:
Also für mich ist es ein wahnsinnig positives Erlebnis, wenn die Gefangenen danach zu mir kommen und sagen: „Sie, das war heute wieder super, das hat Spaß gemacht!“. Das ist für mich dann auch eine Bestätigung meines Engagements.
GOOD NEWS:
Wie stehen Sie zu den Taten ihrer Gesprächspartner?
Peter Hues:
Es ist nicht so, als dass mich das sehr belasten würde. Es gibt da ein Sprichwort, das mir sehr gefällt: „Man sieht den Menschen, nicht die Tat.“ Sonst können Sie das gleich bleiben lassen, so etwas darf man nicht an sich ranlassen. Ich habe schon mit mehrfachen Mördern gesprochen, mit Totschlägern und Kindervergewaltigern. Sobald man so etwas persönlich in sich hineinfrisst, darf man das nicht mehr machen.
GOOD NEWS:
Entsteht dabei so etwas wie eine Bindung zwischen Ihnen und den Gefangenen?
Peter Hues:
Ja, das kann man sagen. Ich besuche auch teilweise die Gefangenen zu Hause, die ihre Strafe abgesessen haben. Oder wenn man sich besonders gut versteht, schreibt man sich auch mal zu Weihnachten, wie es einem so geht.
GOOD NEWS:
Sie sind jetzt 66 Jahre alt. Wie lang können Sie sich noch vorstellen, ihrem Ehrenamt nachzugehen?
Peter Hues:
Ich bin in einem Arbeitskreis der Diozöse Rottenburg, die sich mit jungen Untersuchungsgefangenen beschäftigt. Da haben wir zwei Leute dabei, die schon 80 sind. Die kommen super an! Von einer älteren Dame sind die Jungs ganz begeistert!
GOOD NEWS:
Sie haben im Februar 2011 den Ehrenamtspreis des Landes Baden-Württemberg erhalten. Sind Sie stolz darauf?
Peter Hues:
Ich mache kein Ehrenamt, um irgendeinen Preis zu gewinnen. Das ist für mich wirklich totale Nebensache.
GOOD NEWS:
Herr Hues, vielen Dank für das Interview!
(KFF)
09.04.2011
(Ausgabe 09. April 2011)