Bekannte Namen in Stuttgart

Ein umtriebiger Querdenker

Albert Friedrich Benno Dulk.

Als Albert Dulk am 29. Oktober 1884 im Alter von nur 65 Jahren mitten im Stuttgarter Hauptbahnhof verstarb, hatte er bereits ein außerordentlich ereignisreiches Leben hinter sich. Er wollte gerade die Bahn nach Untertürkheim besteigen, als er einen Herzschlag erlitt.

Sein Herz schlug für die kleinen Leute

Dieses Ereignis führte bei der Überführung des Sarges nach Gotha zur größten Massendemonstration der damaligen Zeit: Aufgrund seiner unermüdlichen Aktivitäten für die kleineren Bürger der Stadt, begleiteten über 5.000 Stuttgarter Arbeiter den Sarg ihres Fürsprechers bis zum Bahnhof. Denn Albert Dulk war ein Mensch, der immer wieder aufs Neue seine Grenzen suchte und austestete. Im Jahr 1819 wurde Albert Dulk in Königsberg in eine wohlhabende Familie geboren. Doch das Herz dieses rhetorisch gewandten Querdenkers schlug zeitlebens für die kleinen Leute. Er engagierte sich sozial und politisch mit großer Hingabe für die Arbeiterklasse. Mit seiner ablehnenden Einstellung gegenüber Obrigkeit und Kirche eckte er immer wieder an, was einen häufigen Wechsel des Wohnortes und auch zwei Gefängnisaufenthalte zur Folge hatte.

Zum Familienleben

Albert Dulk war ein Freidenker, der sich in keiner Weise in seine Lebenseinstellung hineinreden ließ. 1846 machte er seinen Doktor der Chemie in Breslau und heiratete seine Cousine Johanna. Der gut aussehende, sportliche Mann, der für die damalige Zeit außerdem mit 1,88 Metern überdurchschnittlich groß war, lebte bis an sein Lebensende nicht nur mit seiner Frau, sondern außerdem mit zwei weiteren Lebenspartnerinnen und insgesamt fünf Kindern im selben Haushalt.

Reisender und Schriftsteller

Doch dieser bemerkenswerte Mann war auch schriftstellerisch sehr aktiv Im 19. Jahrhundert veröffentlichte er mehrere Bücher, Gedichte und Bühnenstücke, die ihn zu einem berühmten Autor machten. Leider geriet sein Schaffen nach Albert Dulks Tod für lange Zeit in Vergessenheit. Erst über 100 Jahre später, in den 1980ern, wurden seine Werke wiederentdeckt und neu aufgelegt. Auf andere Schriftstellerkollegen hatte der Freidenker ebenfalls großen Einfluss: Für Wilhelm Raabes Roman „Abu Telfan oder Die Heimkehr vom Mondgebirge“ stand Dulk für die Hauptfigur Pate. Denn das Reisen hatte es diesem Hitzkopf ebenfalls angetan. Nachdem er im Jahr 1849 einmal von Ost nach West die italienischen Alpen durchwandert hatte, zog es ihn weiter nach Ägypten, wo er unter anderem drei Monate als Einsiedler in einer Höhle lebte. Ein Jahr später kehrte er wieder nach Mitteleuropa zurück und lebte mit seiner gesamten Familie einige Zeit in der Schweiz.

Umzug nach Stuttgart

Im Jahr 1858 siedelte der Abenteurer schließlich mit Frau und Kindern nach Stuttgart um, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Sieben Jahre nach dem Umzug wurde Dulk offiziell ein württembergischer Staatsbürger, 1871 bezog die Familie ein Haus in Untertürkheim, das leider nicht mehr steht. Eine Gedenktafel an derselben Stelle weist aber seit September 2011 darauf hin, diesen querdenkenden Wahl- Stuttgarter in Erinnerung zu behalten.

Ein ereignisreiches Leben

Denn auch in seiner neuen Heimat war Albert Dulk sehr beschäftigt: Als Gründer der ersten deutschen Freidenkergemeinde in Stuttgart machte er sich einen Namen und kandidierte bei mehreren Wahlen. Albert Dulk führte jedoch nicht nur sein politisches und soziales Engagement fort, er war auch sportlich für den MTV Stuttgart aktiv. Als MTV-Mitglied war Albert Dulk der erste Mensch, der den Bodensee an seiner breitesten Stelle durchschwamm. Für die Durchquerung des schwäbischen Meeres von Romanshorn nach Friedrichshafen benötigte er sechseinhalb Stunden.

Das „Dulkhäusle“ in Esslingen

In späteren Jahren genoss es Albert Dulk, sich zum Arbeiten und Schreiben in ein Häuschen in der Nähe von Esslingen zurückzuziehen. Das so genannte „Dulkhäusle“, das trotz der auffälligen bronzenen Büste Dulks von 1885 lange unbeachtet blieb, wurde 2011 komplett neu aufgebaut und im November desselben Jahres wieder eingeweiht. Albert Dulk war Schriftsteller, Freidenker, Reisender, Politiker. Von den Damen umschwärmt und von der Obrigkeit nicht gern gesehen. Nachdem er und seine Werke für lange Zeit in Vergessenheit gerieten, beginnt sich die Stadt wieder an einen echten Freigeist und Wahl-Stuttgarter aus dem 19. Jahrhundert zu erinnern. Dafür, dass man Albert Dulk nicht wieder vergisst, hat nicht nur die Stadt Esslingen gesorgt: Seit 2002 gibt es in Untertürkheim eine Dulkstraße. (KS)

28.01.2012
(Ausgabe 28. Januar 2012)