Bekannte Namen in Stuttgart

Eine moderne Königin

Charlotte von Württemberg.

Was haben eine Frauenklinik, ein Gymnasium und eine Klinik für Augenheilkunde gemeinsam? – Richtig, auf den ersten Blick rein gar nichts. Fügt man jedoch ein Detail hinzu, ist die Gemeinsamkeit offensichtlich. Denn die Frauenklinik Charlottenhaus, das Königin-Charlotte-Gymnasium und die Charlottenklinik für Augenheilkunde besitzen alle die gleiche Namensgeberin: Charlotte zu Schaumburg-Lippe.

Der Mensch Charlotte

Doch wie war die 1864 geborene, letzte Königin von Württemberg und wie hat sie gelebt? Sabine Thomsen, Autorin von „Die württembergischen Königinnen“ weiß, was Charlotte zu Schaumburg-Lippe ausgemacht hat: „Sie war eine sehr moderne Königin. Sie besaß ein eigenes Auto, einen roten Mercedes. Das war sehr unüblich zu dieser Zeit.“ Als älteste Tochter von Prinz Wilhelm zu Schaumburg-Lippe und Prinzessin Bathildis von Anhalt-Dessau, heiratete Charlotte 1886 den württembergischen Thronfolger Prinz Wilhelm. Der bereits zum zweiten Mal verheiratete Prinz bestieg den Thron 1891 als König Wilhelm II. von Württemberg. Als württembergische Königin lebte Charlotte im Wilhelmspalais in Stuttgart.

Ungewöhnliche Hobbies

In den Sommermonaten von Juni bis Oktober wechselte sie ihren Wohnsitz jährlich nach Friedrichshafen. Für ihre Leidenschaft, das Jagen, verließ sie Stuttgart ebenfalls für einige Wochen im Jahr. Diesem für Frauen der damaligen Zeit sehr ungewöhnlichen Hobby ging sie im Jagdschloss Bebenhausen bei Tübingen nach. „Die württembergische Königin war eine sehr sportliche Person mit modernen Hobbies. Neben dem Jagen ging sie auch regelmäßig reiten, schwimmen und fuhr Kutsche“, erzählt Sabine Thomsen.

Reserviertes Verhältnis zum Volk

Trotzdem hatte Königin Charlotte vor allem zu Beginn ihrer Amtszeit ein zurückhaltendes Verhältnis zu den Württembergern. „Sie hatte keine Kinder und somit fehlte ein Thronfolger für das Land. Sie war auch keine leutselige Person. Erschwerend kommt die Erinnerung des Volks an Charlottes verstorbene Vorgängerin Miriam von Waldeck-Pyrmont hinzu“, erklärt die Buchautorin. So herrschte eine gewisse Reserviertheit, nicht nur von ihrer Seite, sondern auch seitens des Volkes.

Engagement für Frauen

Umso größer war ihre Aufgeschlossenheit gegenüber der Entwicklung der Moderne. Dies zeigte sich neben ihren Hobbies in ihrem sozialpolitischen Engagement. Von ihren Vorgängerinnen übernahm Königin Charlotte die Schirmherrschaft über viele wohltätige Einrichtungen. Ihr besonderes Interesse galt dabei der Verselbstständigung der Frau. „Das heutige Hölderlin-Gymnasium trug als erstes humanistisches Mädchengymnasium ursprünglich den Namen Charlotten-Gymnasium“, weiß Sabine Thomsen. Charlotte zu Schaumburg-Lippe nahm die Patenschaft für die Bildungsstätte an und wurde so zur Namensgeberin. Weiterhin unterstützte sie Institutionen, in denen Mädchen lernten, eigenständig einen Beruf auszuüben und zeigte Engagement für den württembergischen Malerinnenverein.

Erinnerung an die letzte württembergische Königin

Nach ihrer Abdankung als letzte Königin Württembergs 1918 lebte Charlotte als Herzogin in Bebenhausen. Mit den Jahren änderte sich ihre Beziehung zum Volk. „Charlotte zu Schaumburg- Lippe hat sich ihren Platz erobert. Die Zurückhaltung der ersten Jahre entwickelte sich später zu einer Beliebtheit beim Volk“, so Sabine Thomsen. Es verwundert also nicht, dass die 1946 verstorbene Charlotte in Stuttgart heute noch allgegenwärtig ist. „Die Erinnerung und Nostalgie an die letzte württembergische Königin bleibt durch ihren Namen erhalten.“ (LW)

05.11.2011
(Ausgabe 05. November 2011)