Kunststiftung Baden-Württemberg

Kunst bekommt Freiräume

(Bild: Boris Schmalenberger)

Seit 30 Jahren fördert die Kunststiftung Baden-Württemberg junge Künstlerinnen und Künstler aus dem Land. Im Haus der Kunststiftung in der Gerokstraße treffen wir Petra von Olschowski bei einem Glas Tee und einem wunderbaren Blick auf Stuttgart.
GOOD NEWS: 1977 wurde das Staatstheater Stuttgart unter Claus Peymann „Theater des Jahres“. Im selben Jahr verzeichnete die Documenta 6 in Kassel mit fast 350.000 Besuchern einen neuen Besucherrekord. Ist das der Geist und die Euphorie, aus der die Kunststiftung Baden-Württemberg gegründet wurde?
Petra von Olschowski: Das spielte sicher eine Rolle. Andererseits war im Jahr 1977 der „Deutsche Herbst“ das beherrschende Thema. Das Gründungsjahr der Kunststiftung Baden-Württemberg fällt also in eine Zeit der künstlerischen Euphorie und der politischen Anspannung gleichermaßen.
GOOD NEWS: Haben sich die Kunst und die Situation der Künstler in den vergangenen 30 Jahren verändert?
Petra von Olschowski: Das Schauspiel Stuttgart war im vergangenen Jahr wieder „Theater des Jahres“ und die Documenta 12 brachte im Sommer 2007 einen neuerlichen Besucherrekord. Trotz alledem hat sich die Situation für die Kunst, die Künstler und die Institutionen schon sehr verändert. Heute kämpfen weit mehr Beteiligte im Kunstbetrieb um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Und es wird auch anders über Kunst geredet: Begriffe, wie Markt, Karriere oder Positionierung hört man viel öfter, als Experiment, Lust oder Neugier.
GOOD NEWS: Unterstützt die Kunststiftung junge Künstler auf dem Weg zu ihrem „Berufsbild“?
Petra von Olschowski: Wer heute Künstler wird, muss auch Geschäftsmann sein. Gleichzeitig schafft die Kunststiftung mit ihren Stipendien wichtige Freiräume für die Künstler. In den fünf Jahren als Geschäftsführerin der Kunststiftung habe ich viel Großartiges erlebt, das in diesen Freiräumen entstanden ist – und vielleicht auch nur dort entstehen konnte.
GOOD NEWS: Welche künstlerischen Sparten fördert die Kunststiftung Baden-Württemberg?
Petra von Olschowski: Wir vergeben jedes Jahr zwischen 20 und 25 Stipendien in den Bereichen Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Musik und Literatur.
GOOD NEWS: Wer sind die Förderer der Kunststiftung?
Petra von Olschowski: Zur Hälfte wird die Kunststiftung von Kommunen, Sponsoren und privaten Förderern getragen, die andere Hälfte bezuschusst das Land.
GOOD NEWS: Die Kunststiftung folgt der schönen, aber auch schwer kalkulierbaren Idee „Ohne Gunst keine Kunst“. Ist Kunstförderung konjunkturabhängig?
Petra von Olschowski: Ja, durchaus. Es ist ja doch auch nachvollziehbar, dass es den Kommunen und Unternehmen in guten Zeiten viel leichter fällt, in Kunst zu investieren.
GOOD NEWS: Lothar Späth war einer der Gründungsväter der Kunststiftung. Wie politisch und auch wirtschaftlich motiviert darf Kunstförderung – im Sinne der Freiheit der Kunst – überhaupt sein?
Petra von Olschowski: Eine politische oder wirtschaftliche Motivation der Kunstförderung ist ja sehr begrüßenswert. Schwieriger ist es, Politikern und Sponsoren einen Zugang zur nicht immer einfachen Kunst zu vermitteln. Der Kunstbegriff hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark verändert. Da braucht es schon eine gewisse Offenheit, um bei den Betrachtern Akzeptanz oder gar Begeisterung hervorzukitzeln. Das sehe ich persönlich als eine meiner größten Herausforderungen.
GOOD NEWS: Die Jubiläumsausstellung der Kunststiftung schlägt eine Brücke zwischen historischen und zeitgenössischen Avantgarden.
Petra von Olschowski: Richtig. Die Ausstellung „Künstlertreff Bubenbad – Avantgarden im Gänsheideviertel Stuttgart“ ist eine Doppelausstellung. Die Galerie Valentien widmet sich dem Kreis um Willi Baumeister, der von 1945 bis 1955 direkt neben dem Haus der Kunststiftung in der Gerokstraße lebte. Sein Atelier befand sich dort, wo heute der Holtzbrinck Konzern sitzt. Nur wenige Schritte weiter, im Café Bubenbad, traf er sich regelmäßig mit Künstlerkollegen, Kunsthistorikern, Verlegern und Designern. Der zweite Teil der Ausstellung zeigt im Haus der Kunststiftung Arbeiten von Stipendiaten der Kunststiftung. So schlagen wir in der Tat eine Brücke zwischen der sehr kreativen Zeit nach 1945 und der Gegenwart.
GOOD NEWS: Das heißt, die Avantgarde ist nach wie vor im Gänsheideviertel Stuttgart beheimatet?
Petra von Olschowski: Das könnte man so sagen. Zumindest gibt das Haus der Kunststiftung der jungen Kunst eine Heimat.
GOOD NEWS: Frau von Olschowski, wir bedanken uns für das Gespräch. (RC)

05.03.2008
(Ausgabe Oktober 2007)