Die Sängerin und Gitarristin Anja Binder von Anjabelle. (Bild: Kulturmenü)

Breites Programm bei 6. Cannstatter Kulturmenü

Kultur à la carte

Wenn von Bad Cannstatt die Rede ist, denken wohl die meisten Stuttgarter an Fußball, das Volksfest und Daimler. Dass der Stadtteil mit dem lebendigen Zentrum mehr zu bieten hat als VfB, Wasen und gute Autos, macht einmal mehr das Cannstatter Kulturmenü deutlich, dass das Cannstatter Kulturprofil in den letzten Jahren erheblich aufpolierte. 2011 erlebt es seine sechste Auflage und beschert damit dem bislang nicht unbedingt für seine florierende Kulturszene bekannten Stadtbezirk eine kulturelle Topveranstaltung. Am Samstag, den 9. Juli 2011, ist es einmal mehr an der Zeit, an einer reich gedeckten Kulturtafel Platz zu nehmen und sich ausgesuchte Leckerbissen aus den Bereichen Musik, Kunst, Literatur und Theater schmecken zu lassen. Und das Beste daran: Das Kulturmenü sorgt dafür, dass man ordentlich zunimmt – in Sachen Erfahrung und kultureller Bildung, versteht sich.

Ein Gang nach dem anderen

Überall in Bad Cannstatt locken an diesem Samstag im Juli kulturelle Veranstaltungen jeglicher Art – los geht’s bereits um 10 Uhr morgens, der letzte Gang des Tages, die metaphorische Käseplatte sozusagen, wird erst kurz vor Mitternacht serviert. Ein ganzer Tag im Zeichen der Kultur also, aufgeteilt auf annähernd 30 Veranstaltungen unterschiedlichster Couleur, die kleine Kinder ebenso ansprechen wie Jugendliche, Kulturkenner oder Familien.

Jenseits des Alltäglichen

Ungewöhnlich sind beim 6. Cannstatter Kulturmenü nicht nur die Veranstaltungen. Auch die Orte erhöhen mit ihrem außergewöhnlichen Charakter das einmalige Flair dieses Kulturtages: Ob im Bezirksrathaus, in einem malerischen, reich mit Fresken verzierten Innenhof, in ansonsten unzugänglichen und tagtäglich genutzten Künstlerateliers, direkt am Neckarufer oder in lauschigen Hinterhöfen … Klar wird in Bad Cannstatt vor allem dies: Kultur gehört nicht nur in Museen, sie gehört vor allem auf die Straße, direkt in die Stadt. Lange Wege zu den einzelnen Programmpunkten sucht man vergeblich, das Kulturmenü präsentiert sich innenstadtnah fußgängerfreundlich – und gestattet den Besuchern außerdem, manchen Winkel zu entdecken, den man sonst vielleicht nie zu Gesicht bekommen hätte.

Kultur in Hülle und Fülle

Auch ohne große Distanzen zwischen den einzelnen Austragungsorten überbrücken zu müssen, ist ein gutes Zeitmanagement vonnöten, um diesen Tag gebührend zu planen: Wann macht man sich auf die zuhauf vorhandenen Spuren römischer Vergangenheit in Bad Cannstatt? Wann probiert man in der Galerie Heim das eigens für diese Veranstaltung entwickelte und ebenso anspruchs- wie fantasievolle „Art-Menü“? Lauscht man lieber der Schüler-Coverband „Die Lückenreißer“ oder amüsiert man sich im schwäbischen Mundarttheater „Hanni und Fanni“? Schnell wird klar: Das Angebot ist riesengroß, die Prioritäten wollen wohlbedacht gesetzt werden.

Liebe zum Detail

Wer beim Cannstatter Kulturmenü automatisch an Großveranstaltungen wie die „Lange Nacht der Museen“ oder die „Kulturnacht“ im benachbarten Stuttgart denkt, liegt mit dieser Einschätzung gewiss nicht falsch. Als kleiner Bruder der beliebten Kulturveranstaltungen im nahen Kessel hat sich das Cannstatter Kulturmenü in den letzten Jahren einen hervorragenden Namen gemacht. Dass man dabei auf überschaubare Gemütlichkeit und die eigene Stadtidentität setzt, blieb nicht unbemerkt: Längst ist das kleine, aber dafür äußerst feine Kulturmenü ein fester Programmpunkt im Kalender vieler Kulturbegeisterter aus Bad Cannstatt, Stuttgart und Umgebung geworden. „Für ihre tatkräftige Unterstützung, dieses Buffet der Kunst und Kultur zuzubereiten, danken wir den beteiligten Künstlern, den Sponsoren, den Geschäften und Kultureinrichtungen, den ehrenamtlichen Helfern, der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat“, verdeutlicht Veranstalter Horst Merkle und weist darauf hin, dass solch eine Veranstaltung niemals möglich wäre, wenn nicht viele verschiedene Organisationen an einem Strang ziehen.


Kulturbutton schont den Geldbeutel

Dass Bad Cannstatts Kulturhöhepunkt nicht nur die Füße, sondern auch den Geldbeutel schont, darf als weiterer unschätzbarer Vorteil gewertet werden. Der Erwerb des mit fünf Euro äußerst erschwinglichen „Kulturmenü-Buttons“ erlaubt den kostenlosen Zugang zu einem Großteil der Veranstaltungen – insgesamt dürfen über 20 Veranstaltungen gegen Vorzeigen des Buttons ohne Entgelt besucht werden. Den kleinen Anstecker gibt es im Vorfeld des Kulturtages in vielen Cannstatter Läden, außerdem kann man ihn am 9. Juli 2011 auch an allen Veranstaltungsorten erstehen. Trotz der vielen kostenfreien Höhepunkte lohnt auch ein Blick auf die kostenpflichtigen Programmpunkte: Das Theaterschiff lädt zur Darbietung der Komödie „Kleine Eheverbrechen“; im Foyer des Wilhelma-Theaters spielt eine szenische Variante von Carl Orffs epischem Spektakel „Carmina Burana“; Lieder und Chansons aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren gibt es im Bezirksrathaus, während bei „Das brennende Klavier“ der 75. Geburtstag des Jazzmusikers Wolfgang Dauner gefeiert wird. Selbst hier verschafft den Besuchern der Kulturmenübutton teils erhebliche Ermäßigungen, die zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit den kostenpflichtigen Veranstaltungen führen dürfte.

Es ist angerichtet

Zwar winkt der erste Programmpunkt des Kulturmenüs bereits morgens um 10.30 Uhr in der Buchhandlung Stehn, die offizielle Eröffnung findet allerdings um 13 Uhr statt – unter Federführung von Bezirksvorsteher Thomas Jakob und den auch an der Veranstaltung beteiligten Mundart-Künstlerinnen Hanni und Fanni. „Greifen Sie zu, wir wünschen Ihnen guten Appetit!“, kommentiert Merkle das bunt-kulturelle Treiben mitten in Bad Cannstatt, „unsere Tageskarte besteht aus 26 Gängen.“ Ein reichhaltigeres Menü hat man wohl noch nirgendwo kredenzt bekommen. Wohl bekomm’s! (BS)

Weitere Informationen: www.cannstatter-kulturmenue.de

01.07.2011
(Ausgabe 02. Juli 2011)