Dorothee Roth spricht

Die Stimme der Haltestellen

Seit 25 Jahren ist Dorothee Roth die Stimme der SSB-Haltestellen. Über 1.000 Haltestellen hat sie bislang eingesprochen.

Fasanenhof Abzweig, Echterdingen Messe West, Flughafen/Messe, Echterdingen Flughafen/Messe, Bernhausen: Ihre Stimme kennt in der Region Stuttgart jeder – zumindest jeder, der mit öffentlichen Bussen und Bahnen fährt. Dorothee Roth ist die Stimme der Stuttgarter U-Bahnen und Busse. GOOD NEWS hat die Person hinter der Stimme, die täglich rund 600.000 Fahrgäste begleitet, im Tonstudio getroffen.

25 Grad und Schal um den Hals

Es ist heiß draußen. 25 Grad oder mehr. Dorothee Roth trägt im Tonstudio dennoch einen Schal um den Hals. Einer ihrer Tricks, um ihre Stimme vor den Klimaanlagen der Tonstudios zu schützen, wie wir später erfahren. Sie konzentriert sich, spricht klar und deutlich eine Haltestelle nach der anderen in das Mikrofon vor sich. Ihr Gesichtsausdruck ist ruhig und entspannt, manchmal lächelt sie während sie spricht.

"Nächster Halt: Kirschtalstraße"
Die 54-jährige Dorothee Roth spricht neue Haltestellen für den Winterfahrplan ein. Auf der Arbeitsliste stehen die zukünftigen Stadtbahnhaltestellen Kirschtalstraße (U15) oder Fasanenhof (Bonhoefferkirche). Auch einige Ansagen für Ersatzverkehr im Störungsfall sind darunter. Zirka drei dieser Redaktionstermine gibt es pro Jahr. Roths Stimme ist immer dann gefragt, wenn sich Haltestellen ändern oder neue Haltestellen hinzukommen.

Zwei Aufzeichnungen und fertig
In den letzten 25 Jahren hat sie über 1.000 Haltestellen eingesprochen. „Im Normalfall reichen zwei Sprechdurchgänge proHaltestelle aus. Den zweiten Durchgang machen wir, damit der Tontechniker eine Auswahl hat“, erklärt Roth im Anschluss an die Aufnahme. Die Aussprache orientiert sich am obersten Prinzip der Verständlichkeit.

Details entgehen nicht
Daneben sei manchmal aber auch der Tonfall entscheidend. Heißt es nun „Echterdingen – kurze Pause – Flughafen“ oder „Echterdingen Flughafen“? Wer annimmt, den Fahrgästen seien solche Details gleichgültig, täuscht sich. Es gab Fälle, da haben sich alteingesessene Anwohner bei der SSB beschwert, weil ihr Ortsteil nicht so getroffen war, wie sie ihn aussprechen.

Die "Äpplestraße"
Der Max-Eyth-See ist solch ein Beispiel. Diese Haltestelle hat Roth ein weiteres Mal eingesprochen. „Im Zweifelsfall erkundigen wir uns vorher im jeweiligen Bezirk nach der richtigen Aussprache.“ Dialekt ist tabu, zumindest fast. „Wenn ich die Epplestraße mit einem reinen ‚E‘ einspreche, sagen die Anwohner, das stimme so nicht. Deswegen mache ich ein leichtes ‚Ä‘ draus.“

Die Stimmung in der Stimme
Die Ansage soll neutral klingen, aber dennoch freundlich und persönlich. „Beim Einsprechen stelle ich mir etwas Schönes vor Ort vor oder dass die Leute gerne aussteigen“, verrät Roth mit einem Lächeln im Gesicht. „Die Stimmung einer Person hört man aus der Stimme heraus.“

Alterlose Frauenstimme
Dass die ihre meist gut ankommt, zeigt ein Blick in Internetforen. „Es gibt keine Stimme, die mehr Wärme und zugleich doch Bestimmtheit ausstrahlt“, schwärmt ein Fan. Viel nachbearbeitet wird an den Aufnahmen nicht. Roths Stimme habe sich über die Jahre nicht verändert, sie habe eine „alterslose Frauenstimme“.

Computerstimme - keine Alternative
„Wir regulieren hauptsächlich den Pegel“, erkärt Tontechniker Steffen Dobrick. Die Stimme soll ihre persönliche Note nicht verlieren. „Eine Computerstimme ist keine Alternative für uns, obwohl dies technisch längst möglich wäre“, vergewissert Eberhardt Kurtz, der zuständig ist für die Fahrgastinformation der Stuttgarter Straßenbahnen AG und seit vielen Jahren mit Roth zusammenarbeitet.

Karrierestart im Reisebus
Doch wie kommt man zu solch einem Job? Als Studentin der Sprechausbildung suchte Roth in Stuttgart einen Nebenjob. „Die SSB war auf der Suche nach einem Reiseleiter für Busreisen. Diese Aufgabe war ideal für mich, denn ich liebe es, zu reisen.“ Als sie im Bus ins Mikrofon sprach, entdeckte sie die SSB.

Süddeutscher Raum unter Roth'scher Stimme
Ihr Talent sprach sich schnell herum. „Dann hat sich eines aus dem anderen ergeben“, erzählt Roth. Längst verschafft sie nicht mehr nur den SSB-Haltestellen Gehör. Ihre Ansagen sind in vielen Bussen und Straßenbahnen im gesamten süddeutschen Raum zu hören, zum Beispiel in Esslingen, Mannheim, Karlsruhe, Wiesbaden oder Bruchsaal. Selbst den Bodenseeschiffen lieh sie zeitweise ihre Stimme.

Wer ist die Sprecherin hinter dem Lautsprecher?
Inzwischen hat sie selbst ein wenig den Überblick verloren. „Ich saß auch schon in der Bahn und dachte: Die Stimme kenn’ ich – achso, das bist du ja selbst.“ Die verheiratete Mutter dreier Kinder lebt seit 15 Jahren in Zürich. Sie arbeitet beim Schweizer Fernsehen in der Sprachausbildung von Fernsehsprechern und spricht selbst Nachrichten.

Sprache braucht man immer
Neben Redakteuren coacht die Sprecherzieherin angehende Studenten, die sich auf die Aufnahmeprüfung von Schauspielschulen vorbereiten, oder Personen, die ihre Sprache aus beruflichen Gründen trainieren möchten. Sprache werde in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern gebraucht. Auch Vortragsabende mit Texten von Mörike, Heine oder aus der Ilias gibt Roth.

Fest im Raum Stuttgart verankert

Bei der SSB schult Dorothee Roth die Verkehrsmeister für gute Durchsagen an die Fahrgäste. „Ich bin beruflich immer noch fest im Stuttgarter Raum verankert“, bekräftigt die geborene Stuttgarterin, die in Marbach aufgewachsen ist. Auch für den Städtischen Verkehrsbetrieb Esslingen ist sie regelmäßig im Einsatz.

Auf die Bühne
In Esslingen war Roth, die auch eine Schauspielausbildung hinter sich hat, übrigens auch schon als Schauspielerin am Theater tätig. Ob es dort in nächster Zeit Vorstellungen gibt? Leider nicht. „Wer meine Stimme hierzulande hören will, dem bleibt die Fahrt mit Bus und Bahn.“ (CO)

02.10.2009
(Ausgabe Oktober 2009)