Felix Huby verfolgt die Entwicklung Stuttgarts mit Begeisterung. (Bilder: privat)

Felix Huby im Interview

Eine inspirierende Stadt

Über 30 Tatort-Drehbücher stammen aus seiner Feder, dazu kommen unzählige Kriminalromane. Kaum ein Autor hat Stuttgart literarisch und filmisch so intensiv aufgearbeitet wie der bekennende Schwabe Felix Huby.
GOOD NEWS: Herr Huby, in Stuttgart kennt man Sie vor allem als Erfinder des legendären Tatort-Kommissars Ernst Bienzle. Vermissen Sie Ihren berühmtesten Kommissar im Fernsehen ein bisschen?
Felix Huby: Nicht nur ein bisschen, den vermisse ich richtig. Bienzle ist schon meine wichtigste Figur gewesen. Ich hätte den Bienzle-Tatort schon noch ein bisschen weitergemacht und der Schauspieler auch. Aber es waren 25 Folgen und der Sender wollte etwas Neues machen, was man verstehen kann, und so wurde der Tatort dann abgesetzt.
GOOD NEWS: In Ihren Büchern lebt Bienzle weiter. Wie viele Fälle wird er noch lösen?
Felix Huby: Nur noch einen. Nächstes oder übernächstes Jahr wird es einen letzten Bienzle-Roman geben – ich arbeite gerade daran. Er wird altershalber pensioniert – es ist also nicht so, dass er ums Leben kommt, sondern er geht ganz normal in den Ruhestand.
GOOD NEWS: Sie sind ein richtiger Kommissar-Erfinder, neben Bienzle haben Sie auch Rosa Roth, Jan Casstorff, Max Palu und Peter Heiland erschaffen. Was ist das Reizvolle daran, sich eine Figur auszudenken?
Felix Huby: Das ist schwierig zu sagen, denn der Reiz kam eigentlich durch die Aufgabenstellung. Mit Palu war es so, dass die Saarbrücker gesagt haben: Denk dir doch mal was aus für Saarbrücken und gleichzeitig für den Schauspieler Jochen Senf. Bei Rosa Roth war es genauso. Da war von Anfang an klar, dass Iris Berben das spielen würde – wir haben auch bei der Entwicklung der Person zusammengearbeitet. Das trifft übrigens für viele Figuren zu: Sie sind nicht wie Bienzle ursprünglich aus dem Nichts entstanden, sondern waren dadurch schon ein bisschen festgelegt, dass man wusste, wer’s spielt.
GOOD NEWS: Wenn der Schauspieler schon feststeht, versuchen Sie dann an den Charakterzügen der Person anzuknüpfen?
Felix Huby: Nicht an die Charakterzüge des Schauspielers, sondern an die Charakterzüge der Figur, wie es sich der Schauspieler vorstellt. Ich war ja auch beteiligt an der Erfindung des Schimanski – das war nicht meine Figur, aber ich war daran beteiligt. Ich erinnere mich daran, dass Götz George jeden Tag mit einer neuen Vorstellung kam: Mal wollte er klaustrophobisch sein, also keinen Aufzug benutzen, mal wollte er schwul sein. Es gab ganz viele Ideen, die er eingebracht hat. Damit muss man dann vorsichtig umgehen.
GOOD NEWS: Beim Tatort wird ja oft diskutiert, was im Vordergrund stehen soll: der Fall oder das Privatleben der Kommissare.
Felix Huby: Da muss man die Balance halten. Ich finde, es ist schlecht, wenn das Privatleben des Kommissars in den Mittelpunkt rückt, und wenn man dann noch versucht, immer wieder Fälle zu erfinden, in die der Kommissar persönlich involviert ist. Habe ich allerdings auch gemacht: Bei mir ist auch die Freundin vom Bienzle entführt worden. Aber das darf man nicht übertreiben.
GOOD NEWS: Das Schwäbische und Stuttgart im Speziellen spielt in vielen Ihrer Bücher eine wichtige Rolle. Es scheint so, als würde Stuttgart Sie literarisch inspirieren.
Felix Huby: Das ist der Fall. Also nicht nur Stuttgart, sondern das ganze Land, die Landschaft und die Mentalität der Leute. Auch der Dialekt ist für mich sehr wichtig, in dem man manches viel deutlicher sagen kann als in der Hochsprache. Inzwischen gibt es sehr viele, die diese Lokal- oder Regionalkrimis schreiben. Als ich damit angefangen habe, war ich ziemlich alleine.
GOOD NEWS: Sie leben schon seit Ende der 1980er-Jahre in Berlin. Müssen Sie bei Ihren Romanen, die in Stuttgart spielen, auf Erinnerungen zurückgreifen?
Felix Huby: Da ich regelmäßig in Stuttgart und Umgebung bin – im Jahr etwa 15 Mal – muss ich das nicht. Ich mache relativ viele Lesungen in Stuttgart und arbeite auch mit Theatern im Ländle zusammen. Die Stadt hat sich ja wirklich sehr verändert und das habe ich alles auch wahrgenommen. Früher, als ich noch in Stuttgart fest gewohnt habe – wenn Sie da um 23 Uhr aus dem Theater gekommen sind, dann gab’s gerade noch zwei Kneipen, wo Sie hingehen konnten. Das hat sich völlig verändert. Früher saß in Stuttgart keiner abends im Sommer auf der Straße und hat seinen Wein getrunken – Stuttgart ist richtig lebendig geworden, mediterran und großstädtisch. Insofern fi nde ich die Entwicklung richtig spannend.
GOOD NEWS: In Ihren Drehbüchern und Romanen beschreiben Sie das Schwäbische oft mit Details, die wie Klischees wirken. Das reicht von der Kehrwoche bis hin zum Sparwahn. Wie viel haben solche Bilder mit der heutigen Realität zu tun?
Felix Huby: Also den Schuh mit den Klischees ziehe ich mir erstmal gar nicht so an. Ich glaube, das kommt daher, dass wir im Tatort die Figur des Vermieters vom Bienzle hatten, Herrn Rominger. Das ist natürlich ein typischer Schwabe, den man heute noch trifft. Viele dieser Geschichten sind ja tatsächlich passiert. Zum Beispiel die Geschichte, wo der Vermieter zum Bienzle sagt, er soll links die Treppe rauf und rechts wieder runter gehen, damit sie sich in der Mitte nicht so abnutzt – den Mann kannte ich, der das so sagt! Und dass einer, der die Kehrwoche nicht anständig macht, Probleme mit den Nachbarn kriegen kann, das ist Alltag.
GOOD NEWS: Peter Heiland ist Ihr neuster Kommissar. Er begann seine Laufbahn bei der Polizei in Stuttgart und lebt inzwischen in Berlin. Verarbeiten Sie damit auch Ihre eigenen Erfahrungen als Schwabe, der in Berlin wohnt?
Felix Huby: Ja, das war einer der Gründe, warum ich die Figur geschaffen habe. Ich wollte damit auch ein bisschen was von dem zurückgeben, was die mir antun hier in Berlin (lacht) . Vieles in Berlin ist rotzig und auf den ersten Blick auch unfreundlich. Da gibt es schon einige Episoden, die ich erlebt habe, die in den Romanen wieder auftauchen.
GOOD NEWS: Haben Sie sich wegen Ihres Umzugs nach Berlin das Pseudonym Felix Huby zugelegt?
Felix Huby: Nein, das war schon viel früher. Als ich in den 1970er-Jahren meinen ersten Roman veröffentlicht habe, war ich noch fest angestellt beim Spiegel. Der Verleger Rudolf Augstein wollte damals nicht, dass ich unter meinem richtigen Namen meine Bücher veröffentliche. Später ließ sich das nicht mehr zurückdrehen, da das Pseudonym „Felix Huby“ schon eine Marke war, die beim Buchhandel eingeführt war – obwohl ich gerne Romane unter meinem bürgerlichen Namen veröffentlicht hätte.
GOOD NEWS: Es ist aber schon in Ordnung, wenn man Sie mit „Herr Huby“ anspricht, oder?
Felix Huby: Ja, ich höre auf alles (lacht) . Das ist kein Problem. Ich heiße ja auch nicht Felix, aber wenn jemand „Felix“ ruft, drehe ich mich auch um. Und „Huby“ sagen sowieso alle zu mir, weil sie das wie einen Vornamen benutzen. Meine Frau sagt „Huby“ zu mir, meine Söhne sagen auch „Huby“ zu mir, da höre ich dann schon drauf.
GOOD NEWS: Sie schreiben ja wie ein Weltmeister – allein 2009 sind vier Bücher von Ihnen erschienen. Erleben Sie keine Schreibblockaden?
Felix Huby: Bis heute nicht, muss ich ehrlich sagen. Ich kenne viele Kollegen, die dieses Problem öfter haben. Mir ist das noch nie begegnet – ich denke immer, irgendwann muss es kommen, gerade wenn man älter wird. Es kann aber sein, dass es damit zusammenhängt, dass ich eine sehr harte Schule als Journalist hatte. Da kann man sich auch nicht rausreden. Man musste eben sein Quantum termingerecht erledigen.
GOOD NEWS: Als Drehbuchautor haben Sie alles erreicht. Haben Sie noch berufliche Ziele?
Felix Huby: Was ich noch vorhabe, ist, einen großen Dorfroman zu schreiben. Wo die Geschichte über viele Jahrzehnte dahinfließt und sich die Schicksale verknüpfen. Dafür will ich mir Zeit nehmen.
GOOD NEWS: Vielen Dank für das Gespräch. (VP)
Steckbrief
Name:
Felix Huby (gebürtig Eberhard Hungerbühler)

Geburtsjahr/-ort:
1938 in Dettenhausen

Auszeichnungen:
2007: Goldene Romy als Bester Drehbuchautor
1999: Glauser Ehrenpreis
1988: Robert-Geisendörfer-Preis

Werke (Auswahl):
Drehbücher
Oh Gott, Herr Pfarrer
Tatort (über 30 Episoden)

Romane
Der Heckenschütze
Bienzle und das ewige Kind

Theaterstücke
Grüß Gott, Herr Minischter

Felix Huby hat über 30 Tatort-Drehbücher verfasst.
Der bekennende Schwabe Felix Huby lebt seit Ende der 1980er-Jahre in Berlin.
03.04.2010
(Ausgabe April 2010)