Mai-Kolumne Klaus Birk

Alles super, alles Stuttgart: Fußgeballte Leidenschaft

Klaus Birk, Kabarettist

Diese Saison war ich schon Herbstmeister mit dem VfB. Ausgelacht haben die mich. Für verrückt erklärt haben die mich. Nur weil ich gesagt habe: „Wenn der Westerwelle behauptet, wir müssten weniger Steuern zahlen, kann ich auch behaupten, der VfB sei Herbstmeister.“

Und jetzt? Lacht keiner mehr. Ehrfurcht herrscht in allen Stadien, wenn die Schwaben schweben ein. Und erst die Eingeschwabten kicken geil. Oh, wie ist die Welt jetzt schee, zum Himmel steigt der VfB.

Beste Rückrundenmannschaft. Bester Trainer. Bester Kakao. Bester geht’s kaum. Groß ist die Zeit. Und schön ist das Spiel. Was unser Schweiz-Bruce-Willis als Trainer auf die Beine stellt ist nicht nur Gross, das ist Größe.

Vor Weihnachten noch wollten die uns bundesweit das Pferdle zum Äffle machen. Die Bild hat gezeitungt: „VfB ade! Ausgebabbelt. Steigen ab.“ Und kaum hat der Basler Wunderzüricher die Karrees auf das Feld gezeichnet und den Hammer an die Bande gehängt, dazu die Kick-ARTeure seelisch wieder aufgepumpt, schon ging voll der Ball ab und die Mannschaft hat fast jedem den Rasen umgedreht. Hätten wir die Hinrunde auch so gespielt, würde die Tabelle nicht ausreichen für die Höhe unseres Glanzes. Oh, blühe schwäb’sches Fußballland.

Auch der Fan kehrte heim aus dem Neckartal der Tränensäcke, stieg auf wie Phönix aus dem Aschenbecher, jubelte sich den Loser aus dem Hals, und sang sich zürich ins siebte Wolkenland. Ja, die Krise ist gewandelt. Das Leder wieder prall. Der Ball rundet sich nach oben dem Licht der Fußballgötter entgegen. Und diese Mannschaft zeigt der Welt, es gibt eine Schwabenseele. Egal, ob du in Brasilien, Zürich oder Rumänien auf die Welt gekommen bist. Der innere Schwabe hat viele Körper, muss hierher. Homo schwabiensis globalis. Weltgeschwäbt im Netz des Balles.

Apropos: Wie geht’s jetzt dem Babbelmann, der endlich wieder lächeln kann? War ja auch die Hammertour. Erst machst du alles richtig, bist der Überfl ieger und plötzlich sägt dich die neue Saison mit der Laubsäge aus den Wolken. Gerade noch vom Jubel umspült, bleiben die Spieler an jedem Grashalm hängen und die Fans wollen dir mit der Kneifzange den Hintern abzwicken. Das ist vorbei. Auch er hat jetzt den vollen Schein. Gebrieft, geprüft, und voll getrainert, staats-gestempelt und exempelt. Sein Zug hat endlich ausgekölnt und wir sind längst mit ihm versöhlnt.

Was für ein Baller-Jahr mit Hoffnung, Frust und nacktem Zweifel, mit Funken, Freude, Jubeltaumel. Oh VfB, nimmst uns die Luft und pumpst uns auf, gibst uns den Kick, schenkst uns das Glück. Was können wir dir dafür geben? Im Grunde nichts als unser Leben. Im Grunde nichts als unser Leben.

30.04.2010
(Ausgabe Mai 2010)