Florian Ostertag im Interview

Englisch bevorzugt

Noch greift er nach seiner Gitarre. Bald vielleicht nach den Sternen?

Die Tage, in denen er als Support von Philipp Poisel auf die Bühne schlich und ein wenig schüchtern seine melancholischen Lieder vortrug, sind vorbei. Jetzt füllt Florian Ostertag selbst die Konzerthallen. An seiner Gelassenheit und der Melancholie seiner Musik hat das freilich nichts geändert – das wird im GOOD NEWS-Gespräch ebenso klar wie auf seiner bald startenden Tour.

GOOD NEWS: Wir rufen dich gerade in deinem Studio an. Arbeitest du an neuen Songs?

Florian Ostertag: Nein, derzeit filme ich mit meiner Band hier kleine Live- Videos von den Songs unserer kommenden Tour. Als Appetithappen, quasi. Neue Songs müssen noch ein wenig warten.

GOOD NEWS: Und wie lange? Dein letztes Album „The Constant Search“ erschien ja schon 2009...

Florian Ostertag: Für die Tour möchte ich ein, zwei neue Songs einstudieren. Im Sommer werde ich mich mal ernsthaft mit neuen Stücken auseinandersetzen.

GOOD NEWS: Du hast also derzeit das seltene Musikerglück eines geregelten Tagesablaufs? Mit Konzerten und Presseterminen ist das sonst ja nicht immer der Fall.

Florian Ostertag:
Geregelte Tagesabläufe gibt es wirklich nur blöckeweise. Wie jetzt, wo ich in der Regel um elf Uhr ins Studio gehe und dann bis abends oder nachts arbeite. Manchmal ist es eben schön, zu wissen, was morgen anstehen wird. Perfekt ist die richtige Mischung aus Druck und Freiheit – wenn ich also an etwas arbeite, es aber nicht sofort fertig werden muss.

GOOD NEWS: Hast du in diesen Blöcken feste Gewohnheiten? Erst das Florian Ostertag-Powerfrühstück, dann joggen, dann an die Arbeit?

Florian Ostertag:
Nein, überhaupt nicht. Gefrühstückt wird das, was da ist. Dann ist es schon keine allzu große Umgewöhnung zum Leben auf Tour.

GOOD NEWS:
Wurdest du in einer Alltagssituation wie beim täglichen Frühstück schon mal konkret zu einem Song inspiriert? Oder gar zu einem völlig unerwarteten Zeitpunkt?

Florian Ostertag: So konkret nicht. Ich werde eher durch Filme, Bilder, Stimmungen oder auch Zitate inspiriert. Ich merke, dass etwas hängenbleibt, und versuche meist dann direkt im Anschluss, das am Instrument umzusetzen oder, wie bei den Zitaten, einen Text daraus zu stricken.

GOOD NEWS: Entstehen deine Texte von der ersten Studie an auf englisch?

Florian Ostertag: Ja, weil die ersten Ideen meistens direkt mit einem Rhythmus oder einer Melodie verbunden sind. Eine völlige Trennung von Musik und Texten gibt es bei mir nicht.

GOOD NEWS: Saloppe Frage: Warum singst du überhaupt auf englisch? Kollegen wie Philipp Poisel, Tim Bendzko oder Tiemo Hauer singen durchgehend auf deutsch.

Florian Ostertag:
Vielleicht liegt es daran, dass ich schon etwas älter bin als die meisten der jungen deutschen Singer/ Songwriter und hauptsächlich mit englischsprachiger Musik groß geworden bin. Deutsche Texte waren damals ziemlich verpönt, und das blieb eventuell haften. Außerdem habe ich entdeckt, dass ich nicht unbedingt immer sofort will, dass man mich versteht. Als ich mal ein Jahr in Australien war, habe ich deutsche Texte geschrieben, weil das dann wiederum mein Rückzugsort war. Wenn ich auf englisch singe, bin ich ein wenig in meiner Kammer, und die Menschen verstehen mich nur, wenn sie sich auf mich einlassen. Ich möchte mich nicht aufdrängen.
GOOD NEWS: Du standest also noch nie vor dem Problem, etwas auf englisch nicht ganz so gut in Worte fassen zu können wie auf deutsch?

Florian Ostertag: Doch, das ist hin und wieder tatsächlich ein Problem. Ich habe schon öfters darüber nachgedacht, mal auf deutsch zu singen und hatte auch ein, zwei angefangene Texte. Es hat sich aber einfach nicht richtig angefühlt – auch in Bezug auf den Klang der Sprache. Ich fühle mich wohler und ehrlicher, wenn ich auf englisch singe.

GOOD NEWS: Warst du gut in Englisch in der Schule?

Florian Ostertag: Nö, höchstens mittelmäßig. Heute ist meine Aussprache ganz gut, bei Grammatik und Wortschatz muss ich aber häufig nachschlagen oder nachfragen. Ich verwende die gängigen Hilfsmittel.

GOOD NEWS:
Bleiben wir in der Schulzeit: Welchen Berufswunsch hattest du damals?

Florian Ostertag: Zumindest nicht Musiker. Ich wollte mal Lehrer werden...

GOOD NEWS:
Wieso ist daraus nichts geworden?

Florian Ostertag: Auf dem Gymnasium habe ich irgendwann gemerkt, dass du als Lehrer irgendwo immer der Depp ist. Selbst, wenn man sich bemüht und versucht, alles richtig zu machen, wird es immer Schüler geben, die dich hassen. Ich bin ein extrem harmoniebedürftiger Mensch und wäre wahrscheinlich eine Art bester Kumpel der Schüler gewesen. Was dann wohl schiefgegangen wäre.

GOOD NEWS:
Auch als Musiker kannst du es nie allen recht machen.

Florian Ostertag:
Das ist etwas anderes, weil ich mein eigenes Ding mache. Ich habe eine Zeitlang auch Gitarrenunterricht gegeben, doch in dem Fall kommen die Leute ja zu mir, weil sie was lernen wollen und nicht, weil sie kommen müssen und sich eigentlich gar nicht dafür interessieren. Was meine Musik angeht, will ich es auch gar nicht allen recht machen. Das ist ja letztlich einfach Geschmacksache. Die, die zu meinen Konzerten kommen, mögen meine Musik, und das ist das, was zählt.

GOOD NEWS:
Gutes Stichwort: Demnächst steht wieder eine Tournee an, die dich am 31. März 2012 auch ins Stuttgarter LKA führt. Was ist anders, wenn du in Stuttgart spielst?

Florian Ostertag:
In Stuttgart hat das Publikum viel eher ein Gesicht, weil man weiß, dass viele Bekannte da sind. Es fühlt sich vertrauter an, ist aber eine andere Situation, weil ich mich hier am allerwenigsten verstellen kann. Ich bin zwar authentisch in dem, was ich tue, doch in Stuttgart ist es etwas anderes, Gefühle zu zeigen, wenn man weiß, dass der Ex-Chef vielleicht irgendwo im Publikum steht.

GOOD NEWS: Suchst du bewusst nach bekannten Gesichtern, wenn du in Stuttgart auftrittst?

Florian Ostertag: Ja. Die Gewissheit, jemanden im Publikum zu kennen, hat einen positiven Effekt auf mich, weil ich dann auch ein bisschen für diese Person spiele. Die Anonymität der Menge wird aufgehoben.

GOOD NEWS: Spielst du deswegen lieber in der Heimat?

Florian Ostertag:
Das kann ich nicht sagen. Es hat alles Vor- und Nachteile: In einer fremden Stadt fallen die Reaktionen meist ehrlicher aus, weil das Publikum keinen persönlichen Bezug zu mir hat.

GOOD NEWS:
Dein bisher schönstes Konzerterlebnis?

Florian Ostertag:
Auf der Support-Tour für Philipp Poisel war es schön, zu merken, in richtig großen Hallen ein Gehör zu finden, obwohl mich niemand kannte. Neue Menschen zu erreichen, mit meiner Musik zum Nachdenken bringen ist ein ganz besonderes Gefühl.

GOOD NEWS: Deutlicher Gegensatz zu großen Konzerthallen waren deine Wohnzimmerkonzerte, die dich vor einiger Zeit direkt in die Wohnungen deiner Fans und Freunde geführt haben. Eine ziemlich originelle Idee.

Florian Ostertag:
Eher eine pragmatische, da ich einfach Konzerte spielen wollte. Im Stuttgarter Raum ist es nicht leicht, Gigs an Land zu ziehen oder die Leute dorthin zu locken, weshalb ich dieses Konzept sehr reizvoll fand: Akustische Konzerte in kleiner Runde von Menschen, die dich hören wollen und eingeladen haben.

GOOD NEWS:
So etwas Persönliches, Privates wäre mittlerweile nicht mehr denkbar, oder?

Florian Ostertag:
Damals war es jedenfalls leichter, das stimmt. Was aber nicht heißt, dass ich so etwas nicht noch einmal machen würde. Dann suche ich aber etwas sorgfältiger aus, in welchem Wohnzimmer ich mich einniste. (BS)

Weitere Informationen:
www.florianostertag.de

25.02.2012
(Ausgabe 25. Februar 2012)