Steinbachschule

Fürs Leben lernen

Seit diesem Schuljahr läuft das Projekt „Klasse8.com“ an der Steinbachschule in Stuttgart-Büsnau. (Bilder: SWR/Alexander Kluge)

Die Hauptschule steckt in der Krise – zumindest was ihr Image angeht. In der aktuellen Bildungsdebatte kommt sie zumeist nicht gut weg, und viele junge Menschen haben nach dem Hauptschulabschluss Probleme, eine Ausbildungsstelle zu finden. Viele Vorschläge wurden schon gemacht, um diese Situation zu verbessern. Da kommt das Projekt der Stuttgarter Steinbachschule genau zum richtigen Zeitpunkt.

Stuttgarter Projekt als Vorbild

Die in Büsnau, am Rande der Landeshauptstadt gelegene Steinbachschule ist auf den ersten Blick nicht außergewöhnlich. Doch es gibt etwas, das die Grundund Hauptschule von anderen Bildungseinrichtungen unterscheidet. Denn seit diesem Schuljahr läuft hier das Projekt „Klasse8.com“, und wenn es Erfolg hat, könnte die Idee aus Stuttgart zum Exportschlager in den Schulen der Republik werden.

Die Arbeitswelt jenseits des Klassenzimmers

Der Grundgedanke klingt ebenso einfach wie plausibel: Eine ganze Klasse versucht sich ein Jahr lang in der Wirtschaft. Nicht nachmittags als AG, nicht ein paar Stunden am Wochenende, nein – das ganze Schuljahr dient einzig und allein dem Zweck, die Arbeitswelt jenseits des Klassenzimmers hautnah zu erleben. Die Schüler der achten Klasse nehmen hier von vorne bis hinten alles selbst in die Hand. Von der Ideenfi ndung und Planung über Kostenberechnung bis hin zur handwerklichen Arbeit kümmern sich die Jungen und Mädchen um jeden Arbeitsschritt, der sie auch im richtigen Leben erwarten würde.

Motivieren, aber auch mal Druck machen

Ganz ohne Hilfe müssen die Jungunternehmer aber nicht auskommen. Klassenlehrerin Jana Bergemann hat immer ein Auge auf die Gruppe, sie motiviert und macht gelegentlich auch Druck – immerhin soll die Klasse auch mit nötigem Ernst hinter ihren Projekten stehen. Wenn zum Beispiel eine versprochene Marktanalyse einfach „vergessen“ wird, herrscht auch mal dicke Luft im Klassenzimmer. Doch mit der Drohung, wieder normalen Unterricht zu halten, gelingt es der Klassenlehrerin recht schnell, die Jungunternehmer wieder auf Zack zu bringen.

„Ein Geschenk des Himmels“

Die Idee zu dem Projekt „Klasse8.com“ hat mehrere geistige Eltern. Jana Bergemann, Konrektorin der Steinbachschule, hatte den Gedanken schon lange im Kopf, Rektor Gerhard Gödrich ging es ebenso. Der entscheidende Anstoß kam dann aber von außen: „Als der Anruf vom SWR kam, haben wir die Chance ergriffen, weil wir einfach gesehen haben, dass wir hier den Schülern mit großer Unterstützung weitere Perspektiven geben können.“ sagt Gödrich. Der SWR begleitet das Projekt die ganze Zeit über und berichtet im Fernsehen, Radio und Internet darüber. Über die Unterstützung freut sich der Schulleiter enorm. „Ich sehe das als Geschenk des Himmels.“

Unterstützung von Profis

Doch nicht nur der öffentliche Rundfunk hilft mit. Die Robert Bosch GmbH unterstützt das Projekt ebenso wie die Unternehmensberatung Roland Berger. Denn der Einstieg in die freie Wirtschaft ist alles andere als leicht. Als erstes stellt sich die Frage, was für ein Unternehmen die Jugendlichen überhaupt gründen wollen. Unter Anleitung eines erfahrenen Beraters werden erst einmal Ideen gesucht: Gibt es genug Nachfrage für selbst gemachten Schmuck? Wirft der Verkauf von bunten Schnürsenkeln genug Profit ab? Und wie sieht es überhaupt mit der Konkurrenz aus?

Geschäftsideen: Fahrräder, Pralinen und T-Shirts

Entschieden hat sich die Klasse 8 für die Herstellung und den Verkauf von Pralinen, einen Fahrradverleih für Schulklassen und eine eigene T-Shirt-Kollektion. Dabei müssen sie das Wissen anwenden, das sie sich in der Schule angeeignet haben. Eine Kostenberechnung lässt sich eben kaum ohne Mathematik erstellen, Geschäftsbriefe wollen fehlerfrei geschrieben sein. Und auch mit auftauchenden Problemen lernen die Schüler umzugehen, etwa wenn die eigenen Pralinen noch nicht wirklich appetitlich aussehen oder gekaufte Fahrräder kaum noch fahrtüchtig sind. Die 19 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 13 und 15 lösen diese Aufgaben mit großem Engagement. Durch das Projekt des SWR haben die Schüler die Chance zu zeigen, was in ihnen steckt. Jana Bergemann ist entsprechend stolz auf ihre Schützlinge. „Natürlich kann man immer noch mehr erwarten. Aber wenn ich sehe in welch kaltes Wasser sie da gesprungen sind – allein den Mut finde ich bewundernswert.“

Das Projekt geht weiter

Das Projekt wird bis zum Ende des Schuljahres im Sommer gehen. Danach soll aber nicht komplett Schluss sein, die von den Schülern geführten Firmen sollen weiter bestehen, wenn auch nicht das komplette Jahr über. Immerhin steht am Ende der neunten Klasse der Schulabschluss, und dafür müssen auch erfolgreiche Jungunternehmer ordentlich büffeln. Die Erfahrung, das Gelernte im harten Berufsalltag auch einzusetzen, werden sie dann in jedem Fall haben. (KFF)

Weitere Informationen:

15.01.2011
(Ausgabe 15. Januar 2011)