Stadtteil-Jubiläen: Bewohner erzählen

Zuhause ist es am schönsten

Ein Bild aus früheren Tagen im Fasanenhof. (Bild: Waltraud Helber)
Fasenenhof im Wandel der Zeit.
So sah Neugereut früher aus der Vogelperspektive aus.

Als Mario Giordan im November 1971 auf die Großbaustelle Neugereut zog, erkannte er seine neuen Nachbarn daran, dass sie stets ein Paar Gummistiefel bei sich trugen. Die brauchten sie, um den schlammigen Weg zu ihrem Haus hinter sich zu bringen. Am Anfang bestand das Viertel aus einem Hochhaus, einigen Häusern entlang der Straße und ein paar Flachbauten. Heute ist der Stadtteil das Zuhause von gut 8.000 Stuttgartern und schon lange brauchen die Bewohner keine Gummistiefel mehr für den Heimweg.

Eigeninitiative der Bürger

Die Entwicklung des Viertels ist eng verknüpft mit dem Bürgerverein „Bürger in Neugereut“ (BIN). Dessen Vorläufer war schon vor den ersten Einzügen aktiv. In der damaligen Interessengemeinschaft trafen sich Bürger, die mit dem katholischen und dem evangelischen Pfarrer den Aufbau und die Besiedlung vorbereiten. Die beiden Kirchenvertreter waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Viertel zusammenwuchs und neue Bewohner schnell heimisch wurden. Sobald ein neuer Wohnblock besiedelt wurde, luden sie zu einem Kennenlerntreffen ein. Doch auch die Eigeninitiative der Bürger war gefragt: Als die erste Gesamtschule eröffnete, gestalteten die Eltern der Schüler den Lehrplan und den Unterricht mit. Es entstand ein enger Kontakt, der noch lange währte. Eines der ersten großen Projekte der Interessenvertretung war die stadtteileigene Zeitung „Treffpunkt“, die bis heute erscheint. „Der ‚Treffpunkt‘ ist ein Projekt, das verbindet“, sagt Mario Giordan. „Ich kenne viele Leute aus der Anfangszeit, die ich bei der Zeitung immer noch regelmäßig sehe.“ Der in dritter Generation in Deutschland lebende Mann mit italienischen Vorfahren ist stolz auf das Zusammenleben in seinem Stadtteil, das noch immer gut funktioniert. „Auch die zahlreich vertretenen Mitbürger mit Migrationshintergrund engagieren sich intensiv für die Belange des Viertels. Von Neugereut wegziehen, kann sich Mario Giordan nicht vorstellen: „Wenn man 40 Jahre in einem Stadtteil wohnt und dessen Entwicklung begleitet, hat man sich einfach eingelebt und ist überall eingebunden. Ich habe meine Wurzeln hier, also warum sollte ich woanders hinziehen?“

Identifikation mit dem Stadtviertel

Die Identifikation der Bewohner mit dem eigenen Stadtteil charakterisiert auch den Fasanenhof. Hier feiern die Bürger im Juli 2011 das 50-jährige Bestehen ihres Viertels. Der Fasanenhof entstand auf dem Reißbrett: Innerhalb von zwei bis drei Jahren wurde die Siedlung aufgebaut und bezogen. Wie in Neugereut musste zu Beginn viel improvisiert werden. Die zwei Kirchen und der erste Einkaufsladen befanden sich in Holzbaracken, es existierte keine öffentliche Busverbindung. Seit damals ist der Stadtteil stark gewachsen, zu Hochzeiten lebten 10.000 Menschen hier, heute sind es noch 6.500. Auch städtebaulich hat sich viel getan im Fasanenhof. Vor fünf Jahren wurde der Stadtteil rundum erneuert. Das Kinderund Jugendhaus wurde komplett renoviert, der Europaplatz neu gebaut. Die Mittel dazu kamen unter anderem aus dem Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt“. Eine eigens dafür formierte Stadtteilinitiative bemühte sich um die Aufnahme in das Programm, von dem der Fasanenhof seit 2002 profitiert. 2007 entstand daraus dann der Bürgerverein Fasanenhof – hier leben wir e.V., der inzwischen 300 Mitglieder hat.

Fasanenhof: Olaf Beiers Heimat

Olaf Beier ist Gründungsmitglied des Vereins. 1964 in Stuttgart-Fasanenhof geboren ist er bis heute tief im Viertel verwurzelt. Es ist diese enge Verbundenheit zwischen den Bewohnern, die den Stadtteil in seinen Augen so besonders macht. Dass man gemeinsam groß geworden ist und etwas aufgebaut hat, sowohl infrastrukturell als auch zwischenmenschlich. Viele seiner Freunde kennt er schon seit dem Kindergarten. „Der Fasanenhof ist einfach ein Stück Heimat für mich“, erklärt Olaf Beier. Für die Feierlichkeiten zum runden Geburtstag erwartet er neben den jetzigen Bewohnern denn auch den Besuch vieler Ehemaliger. Die Bedeutung des Fests sei nicht zu unterschätzen: „Für die Fossile – die alten Fasanenhofer – ist
das gemeinsame Feiern ein Stück weit selbstverständlich. Es wird ein echtes Fest für alle momentanen und ehemaligen Bewohner des Stadtteils.“

Zwei Stadtteiljubiläen – zwei große Feiern

Der Organisationsaufwand für die Feierlichkeiten war in beiden Stadtteilen immens. Die Planung startete bereits vor anderthalb Jahren. Zusätzlich zu der Feier haben beide Stadtteile eine umfassende Festschrift verfasst. Zwar sei der Bürgerverein im Fasanenhof federführend gewesen bei der Organisation des Jubiläums, erzählt Olaf Beier, doch letztendlich sei das Fest in Teamarbeit mit den ansässigen Vereinen und Institutionen entstanden. Auch in Neugereut haben alle zusammen geholfen, die Feier auf die Beine zu stellen. Das bunte Programm für die ganze Familie dauerte im Fasanenhof vom 7. bis 10. Juli 2011, in Neugereut erstreckte sich das Festwochenende vom 8. bis 10. Juli 2011. (CJ)

Weitere Informationen:

www.stuttgart-neugereut.de
www.stuttgart-fasanenhof.de

15.07.2011
(Ausgabe 16. Juli 2011)