Interview mit Farin Urlaub

Urlaub in Stuttgart

GOOD NEWS: Herr Urlaub, den meisten Menschen sind Sie vor allem als Musiker bekannt. Dennoch stehen Sie heute wegen Ihrer Bilder im Rampenlicht. Wann haben Sie entdeckt, dass Sie gerne fotografieren?

Farin Urlaub: Spaß macht es mir schon sehr lange, aber am Anfang waren meine Bilder ziemlich lausig. 2005 und 2006 war ich für längere Zeit in Indien und Bhutan unterwegs und habe dann in meinem größten Größenwahn einen Bildband darüber raus gebracht. Seitdem geht es aufwärts.

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Würden Sie gerne einen Fotopreis mit Ihren Bildern gewinnen?


GOOD NEWS: Und diese Erfahrung hat Ihnen gezeigt, dass Sie genug Talent haben, um die Fotografie professionell zu verfolgen?

Farin Urlaub: Sagen wir mal, ich habe genug Ehrgeiz. Ob da Talent ist, das müssen andere sagen. Ich glaube, die Bilder sind schon ok. Die Kamera steht einigermaßen gerade, sie sind sauber belichtet – was will man mehr!

GOOD NEWS: Warum sind Sie bei Lumas unter Vertrag gegangen?

Farin Urlaub: Ich mag deren Konzept. Und wenn man einmal angefangen hat mit der Fotografie, dann will man die Bilder auch in groß sehen. Lumas war am Anfang sehr skeptisch – den Promibonus habe ich höchstens dahingehend genossen, dass ich mich überhaupt vorstellen durfte. Aber nachdem ich ihnen einige Bilder gezeigt habe, haben sie mir doch eine Chance gegeben und das lief für beide Seiten erstaunlich gut. Ich glaube sie waren überrascht, dass überhaupt etwas verkauft wurde, und ich war noch überraschter, dass wildfremde Leute sich ein Bild von mir kaufen.

GOOD NEWS: Lumas betreibt deutschlandweit 13 Galerien. Warum findet Ihre Ausstellung ausgerechnet in Stuttgart statt?

Farin Urlaub: Lumas ist hier gerade in eine größere Galerie umgezogen und brauchte jemanden, mit dessen Bildern sie die einweihen konnten.

GOOD NEWS: Welche Ziele haben Sie noch in Ihrer Fotografenkarriere? Wo wollen Sie hin?

Farin Urlaub: In alle Wohnzimmer der Welt, hab ich mal behauptet, aber jedes zehnte reicht in Wirklichkeit auch! (lacht) Ich hab kein festes Ziel; wenn es so weiterläuft wie es angefangen hat, dann wäre ich schon total zufrieden.

GOOD NEWS:
Nach welchen Kriterien wählen Sie Motive aus?

Farin Urlaub: Das ist eine ganz subjektive Entscheidung. Was mir interessant erscheint oder mir gefällt, weil es eine bestimmte Rhythmik, eine bestimmte Formsprache hat oder weil der Moment gerade schön ist, das fotografiere ich. Aber ich versuche, nicht mit einem vorgefertigten Konzept irgendwohin zu fahren und dann zu sagen: ,Ich brauche jetzt dieses Foto!‘.

GOOD NEWS: Inszenieren Sie Fotos mitunter bezüglich der Belichtung oder der Anordnung der Objekte im Bild?

Farin Urlaub: Nein, das mache ich gar nicht. Auf meiner Reise durch Japan habe ich einmal Laub auf eine Buddha- Statue geworfen, das überall drum herum lag, nur nicht auf dem Kopf des Buddhas. Die Bilder sehen so lächerlich aus, dass ich daraus wirklich gelernt habe, das nicht wieder zu versuchen.

GOOD NEWS: Bearbeiten Sie Ihre Bilder hinterher am Computer?

Farin Urlaub: Das kommt auf das einzelne Bild an. In der gesamten Mali- Serie habe ich zwei Mal den Himmel ein bisschen nachbearbeitet, ansonsten waren die Farben dort wirklich gut. Wenn ich hinterher etwas verändere, dann mache ich das, weil ich versuche, die Essenz dessen, was ich vor Ort gefühlt und empfunden habe, im Bild widerzuspiegeln – also die Farben auf dem Foto meiner subjektiven Wahrnehmung anzupassen.

GOOD NEWS : Reizt Sie der künstlerische Aspekt der Analogfotografie?

Farin Urlaub: Das Spiel habe ich lange mitgespielt. Da ich die Bilder am Ende aber sowieso einscanne, ist es eigentlich egal. Digital ist vieles einfacher, das ist die traurige Wahrheit.

GOOD NEWS: Woher haben Sie Ihr Wissen im Bereich der Fotografie?

Farin Urlaub:
Meine Schwester hat mich auf den Weg gebracht und den Rest habe ich mir dann nach und nach selbst beigebracht. Ich habe mir Bücher von „echten“ Fotografen gekauft, in denen steht, wie man es macht. Die habe ich durchgearbeitet und inzwischen bin ich relativ vertraut mit dem Thema.

GOOD NEWS: Was bezwecken Sie mit Ihren Bildern? Wollen Sie die Welt damit verändern?

Farin Urlaub: Ja, unbedingt (lacht). Verbessern! Wie das klappt, weiß ich noch nicht, aber ich gebe mir Mühe. Nein, im Ernst: Im Herbst erscheint jetzt zum Beispiel mein zweiter Bildband und wie beim ersten Mal spende ich mein Honorar dafür. Insofern sehe ich schon zu, dass auch andere etwas davon haben.

GOOD NEWS:
Und der Erlös aus den Bildern, die nun hier verkauft werden, spenden Sie den auch?

Farin Urlaub: (lacht) Ja, und zwar nahezu komplett an die Kameraindustrie.

GOOD NEWS: Interessieren Sie sich denn stark für technische Neuheiten?

Farin Urlaub: Ich will eine gute Ausrüstung haben und Neuheiten interessieren mich insofern, als dass sie meine Arbeit erleichtern oder verbessern. Aber ich kaufe nichts, nur weil es neu ist. Erstmal teste und vergleiche ich alles, da bin ich Schwabe. (lacht)

GOOD NEWS: Sie haben einmal gesagt, dass Sie alle Länder der Erde bereisen möchten. Inzwischen sind Sie bei 118. Glauben Sie, dass Sie alle schaffen?

Farin Urlaub: Das ist der Plan, aber ich gehe da nicht generalstabsmäßig vor. In die meisten Länder reise ich öfter und dadurch komme ich nur sehr langsam voran. Dieses Jahr sind immerhin noch zwei weitere Länder geplant. Letzten Endes will ich die ganze Welt erforschen. Was Google Earth von oben macht, würde ich gerne in der Waagerechten machen.


GOOD NEWS:
Wie verständigen Sie sich in den unterschiedlichen Ländern?

Farin Urlaub: Mit Händen und Füßen und soweit ich kann, auch mit der Sprache. Ich habe aber auch keine Berührungsängste. Also selbst wenn mich keiner versteht, darf ich irgendwo übernachten und bekomme etwas zu essen.

GOOD NEWS: Inwiefern bereichert das Fotografieren Ihre Reisen?

Farin Urlaub: Ich treibe mich selber noch mehr an. Ich gehe viel weiter. Ich sage nicht nachmittags um vier: ,So, für heute ist es genug‘, sondern ich denke: ,Hier gibt es bestimmt noch irgendwo ein Motiv, ich muss es nur finden!‘ Dadurch sehe ich mehr.

GOOD NEWS: Wie vereinbaren Sie die vielen Reisen zeitlich mit Ihrer Musikkarriere?

Farin Urlaub: Wenn man eine Band hat, gibt es gewisse Zyklen: Man macht ein Album, dann geht man auf Tour und vielleicht macht man dann nochmal eine Tour, aber dazwischen sind auf jeden Fall ein paar Monate frei. Bingo! In diesen paar Monaten finden keine Interviews statt und auch sonst nichts, weil: Ich bin nicht da!

GOOD NEWS:
Wie grenzen Sie die Bereiche Fotografie und Musik für sich ab?

Farin Urlaub:
Es gibt einen ganz einfachen Unterschied: In der Musik kreiere ich meine eigene Welt. Ich denke mir Menschen aus, die irgendwelche Situationen erleben und schicke sie dann durch verschiedene Tonarten und verschiedene Melodien. Fotografie ist ganz anders: Ich habe eine Realität, die schon da ist, und ich muss mir überlegen, wie ich sie am besten festhalten kann. Aber ich kann sie nicht verändern, weil ich eben keine gestellten oder Studiobilder mache. Auf eine bestimmte Art ist die Fotografie eine viel größere Herausforderung. Mir sind viel mehr die Hände gebunden. Es ist eine andere Kreativität.

GOOD NEWS: Welche Seiten Ihrer Persönlichkeit leben Sie mit der Musik aus, welche mit der Fotografie?

Farin Urlaub: Die exhibitionistische Seite mit der Musik, die künstlerische mit beidem. Und auf Reisen begleiten kann mich nur die Fotografie. Ich habe es mal mit einer Wandergitarre probiert, aber das war keine gute Idee.

GOOD NEWS:
Könnte man sagen, dass die Fotografie Ausdruck dafür ist, dass Sie ruhiger werden?

Farin Urlaub:
Es ist umgekehrt. Es ist die Fotografie, die mich lehrt, ruhiger zu werden. Wenn man Menschen fotografieren will, ist Hektik das allerschlimmste. Da muss man ganz ruhig hingehen und sich Zeit nehmen, um dann irgendwann ein Foto zu machen. Das entspricht mir eigentlich gar nicht, aber es tut mir gut.

GOOD NEWS:
Denken Sie, dass Ihr Weg in Zukunft eher Richtung Musik oder Richtung Fotografie gehen wird?

Farin Urlaub:
Irgendwann altersbedingt auf jeden Fall eher Richtung Fotografie. Hinter der Kamera kann man entspannt alt werden, weil es keinen interessiert. Auf der Bühne geschieht das Altern sehr im Licht der Öffentlichkeit, das ist nicht so meins. Irgendwann wird es in der Musik eine Grenze geben, wo ich „Stop!“ sage.

GOOD NEWS:
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit Ihren Bildern und der Musik! (CJ)

Weitere Informationen:
Wann: Farin Urlaubs Bilder sind bis 23. August 2011 ausgestellt.
Wo: Lumas Galerie Lange Straße 3, 70173 Stuttgart
15.07.2011
(Ausgabe 16. Juli 2011)