Beim Flohmarkt International. (Bild: Marco Cini)

Feilschen auf dem Karlsplatz

Der Stuttgarter Flohmarkt ist eine feste Institution

Jörg Trüdinger, Flohmarkt-Sprecher in Stuttgart, kann sich noch genau erinnern, wann ihn die Leidenschaft am Sammeln gepackt hat: „Das war 1980“, erzählt er. „Damals habe ich auf dem Stuttgarter Flohmarkt ein Schuco-Auto von 60 auf 50,50 DM heruntergehandelt.“ Jörg Trüdinger schmunzelt. „Als ein anderer Händler mir das Zehnfache für das Blechauto anbot, gab es bei mir eine Initialzündung.“ Seine Begeisterung für das Sammeln und Feilschen war entbrannt.

Flohmarkt gehört zum Leben

Das war vor mehr als 30 Jahren. Seitdem ist der Samstag bei Jörg Trüdinger verplant. Morgens um sechs Uhr geht es für ihn auf den Stuttgarter Karlsplatz. Dort hat er bereits seit 28 Jahren einen festen Stand. Eine lange Zeit, in der sich natürlich auch kleine Rituale entwickelt haben: „Wenn ich morgens auf den Karlsplatz komme, wird erst mal mit den anderen Händlern Kaffee getrunken. Man kennt sich ja untereinander, es ist fast wie eine Familie.“ Die Händler berichten sich dann von ihren neuesten Errungenschaften.

Vorlieben aus der Kindheit

Wenn Jörg Trüdinger seinen Stand aufbaut, kramt er Modellautos, Spielzeug und Comics aus den Kisten hervor. „Für die Autos hatte ich schon immer eine Vorliebe. Das ist noch aus meiner Kindheit“, erklärt er und grinst: „Irgendwie bin ich in der Hinsicht wohl nie erwachsen geworden.“ Auch Guiseppe Ricucci baut jeden Samstagmorgen seinen Stand am Karlsplatz auf. Im Vergleich zu Jörg Trüdinger holt er jedoch Waren aus den Flohmarktkisten, die er aus seiner Kindheit nicht kannte: Kinderspielzeug. „Das besaßen wir damals zu Hause in Italien nicht. Wir haben mit dem gespielt was auf der Straße lag, mit alten Aprikosenkernen oder mit Steinen“, erzählt er. Genau deshalb kann sich Guiseppe Ricucci noch genau an den ersten Besuch auf dem Stuttgarter Flohmarkt erinnern: „Ich war 14 Jahre alt und zog mit meiner Familie von Italien nach Deutschland.“ Das war an einem Samstag im Jahr 1976. „Freitags sind wir in Stuttgart angekommen und samstags war ich zufällig in der Innenstadt. Flohmärkte kannte ich von Apulien nicht.“ Guiseppe Ricucci war fasziniert von den vielen bunten Angeboten auf den Tischen. Seine Sammelleidenschaft war geboren.

Viele Touristen unter den Besuchern auf dem Karlsplatz

Heute sind zwischen den alten Spielzeugen auch viele Antiquitäten auf dem Verkaufstisch von Guiseppe Riccuci zu finden. „Mit den Jahren hat sich eine gewisse Stammkundschaft gebildet, die immer wieder vorbeikommt“, erklärt er. Für die bewahrt er meistens besondere Stücke auf, die er zum Beispiel bei Haushaltsauflösungen findet. „Ich ziehe dann einfach ein paar Sachen unter dem Tisch hervor und zeige es meinen Stammkunden. Bereits zum dritten Mal findet der Flohmarkt International statt
Guiseppe Ricucci fühlt sich in dem Trubel auf dem Karlsplatz wohl. Vor allem der internationale Aspekt gefällt ihm. Verständlich, ist der Flohmarkt doch ein richtiger Multikultimarkt geworden, bei dem die Händler ihre Wurzeln unter anderem in der Türkei, England, Frankreich oder auch Griechenland haben. Diesen Aspekt wollten die Organisatoren des Flohmarkts nutzen und Internationalität in den Mittelpunkt rücken. Das Ergebnis: Einmal im Jahr veranstalten sie den Flohmarkt International. „Es ist eine Verbindung von Flohmarkt und internationalem Musikprogramm“, erklärt Flohmarkt-Sprecher Jörg Trüdinger.

Musikalisches Spektrum von Polynesien über Korea, Europa und Südamerika

Am Samstag, den 28. Mai 2011, ist es wieder soweit. Händler, die Märkte Stuttgart, das Forum der Kulturen und der Verein Stuttgart tanzt bitten zum Internationalen Fest. „Es ist lustig, das Programm ist so international, dabei kommen alle Teilnehmer aus Stuttgart und der Umgebung“, sagt der Flohmarkt-Sprecher. Bei gutem Wetter werden insgesamt rund 200 Händler ihren Trödel und ihre Antiquitäten anbieten, schätzt er.

Auf der Suche nach der besonderen Geschichte hinter den Waren

Für Jörg Trüdinger gibt es seit seiner Kindheit nichts anderes. „Flohmarkt gehört einfach dazu“, erzählt er euphorisch. „Selbst meine Kinder sind dort mit aufgewachsen“, sagt er. Seine Leidenschaft hat er mittlerweile in einen kleinen Laden verwandelt. Unter der Woche sammelt er dort antiquarische Waren und Trödel zusammen, die er freitagabends in seine Flohmarktkisten packt. „Es gibt immer wieder Stücke, die sind einmalig“, sagt er und berichtet von einem Gesangbuch, das sein Kollege ihm neulich unter die Nase hielt. „Ich wusste erst gar nicht, was ich damit anfangen sollte.“ Erst als er das Buch aufblätterte, rechteckig herausgeschnittene Löcher in den Seiten entdeckte und der Schilderung seines Kollegen lauschte, wurde ihm die Bedeutung dieses Buchs klar. „Es gehörte anscheinend einem deutschen Soldaten in Gefangenschaft, der in den ausgeschnittenen Seiten etwas verstecken konnte.“ Geschichten wie diese faszinieren Jörg Trüdinger. Schmunzelnd gibt er zu: „Ja, manchmal gibt es Sachen, die behalte ich am liebsten für mich.“ (BD)

Zum Frühjahrsflohmarkt am 15. Mai 2011 kamen zahlreiche Besucher.
20.05.2011
(Ausgabe 21.Mai 2011)