Das Lindenmuseum in Stuttgart feiert sein 100-jähriges Bestehen.

Ein Lied von 40 Nationen

Traditionelle Braut aus Indien.

Es ist ein Lied, das in unzähligen Ländern dieser Welt zu einem ganz besonderen Tag gesungen wird: Hat jemand Geburtstag, stimmen die Leute „Happy Birthday“ an. Eigentlich ist es ein Kinderlied aus dem Jahre 1893, das zwei Schwestern in der amerikanischen Kleinstadt Louisville als Begrüßungslied im Kindergarten sangen. Zu dem ursprünglichen Text „Good Morning to all“ kam 1924 eine zweite Strophe: „Happy Birthday to you“.

Ständchen verbindet

Von einer Generation zur nächsten weitergetragen, verbindet es heute Kulturen auf der ganzen Welt. Am 16. September 2011 erfüllt es genau diese Funktion erneut, wenn 150 Menschen aus 40 verschiedenen Nationen tief Luft holen, und eben dem Museum ein Ständchen bringen, dessen Aufgabe es seit 100 Jahren ist, die Kulturen dieser Welt zu verbinden. Das staatliche Museum für Völkerkunde – kurz das Lindenmuseum – wird 100 Jahre alt und es feiert sich selbst mit einem ordentlichen Festakt.


Staatsempfang und Weltrekord

Bevor die neue Ausstellung „Weltsichten – Blick über den Tellerrand“ startet, erweisen ausgewählte Gäste aus Politik und Wirtschaft bei einem Staatsempfang der Stuttgarter Institution die Ehre. Gegen 20 Uhr soll dann der ersehnte Weltrekord aufgestellt werden: Begleitet von der Percussionband Banda Maracatù und angeleitet von Dirigent Rolf Eberhard – seines Zeichens Leiter des Musikfachs in Stuttgart – stimmt der „Internationalste Chor der Welt“ das Geburtstagslied an.


Stimmgewaltiges Dankeschön an die Besucher

„Wir wollten zu einem solchen Tag die Besucher mal stärker mit einbeziehen“, erklärt Elke Bauernfeind vom Lindenmuseum. Eine Art Dankeschön für die jahrhundertlange Treue der Besucher. Entstanden ist die Idee bereits vor über einem Jahr. Ein solcher Geburtstag ohne Geburtstagslied: undenkbar! Und bei 100 Jahren sollte es ein angemessenes Ständchen sein, also muss ein großer Chor her.


Jeder darf mitmachen

Aber das allein reichte in diesem Fall noch nicht ganz. „Wir sind das Museum für Völkerkunde – da muss ganz klar aus jedem möglichen Land jemand dabei sein“, so Bauernfeind. „Und wenn wir dann schon dabei sind, dann versuchen wir auch einen Weltrekord aufzustellen.“ Mitmachen kann jeder, der gerne singt, wobei die Auflagen von Guiness World Records London natürlich eingehalten werden wollen.


Die Auflagen von Guiness

„Es zählt nicht der kulturelle Hintergrund, sondern welche Nation im Pass steht“, so Bauernfeind. Und weil Guiness keinen Offiziellen schickt, muss jeder Teilnehmer mittels Kopie des Personalausweises die Nationalität belegen. „Viele der Teilnehmer kommen ursprünglich aus dem Ausland, haben aber nach 20 Jahren dann doch einen deutschen Pass.“


150 Teilnehmer aus 40 Ländern

Daher wurde die Größe auch auf 150 Personen und nicht auf 40 Teilnehmer angesetzt. „Wir wollen niemanden ausschließen, sondern natürlich auch alle dabei haben, die einen ausländischen Hintergrund, aber einen deutschen Pass haben.“ Jeder, der gerne singt und dabei sein will, kann sich anmelden.


Profi herangezogen

Die große Herausforderung liegt dann vor allem darin, den Auftritt nach einmaliger Probe zu meistern. „Wir machen im Vorfeld einen Durchgang, damit die Teilnehmer sich einstimmen können“, erklärt Bauernfeind.
Darum holten sich die Organisatoren auch die Unterstützung eines Profidirigenten. „Wir benötigen jemanden, der Erfahrung mit einem Chor dieser Größe hat“, erklärt Bauernfeind.


Ehrenamtliche Unterstützer

Alle Unterstützer der Aktion beteiligen sich dabei ehrenamtlich. So bekommen sowohl die Band, als auch der Dirigent keine Gage. Und auch der Notar macht seinen Job unentgeltlich.


Die Anfänge des Museums

Ursprünglich sollte das von führenden Vertretern aus Industrie und Handel gegründete Museum der Förderung von Erdkunde, Wirtschaft und Kultur dienen. Der Vorsitzende des Vereins für Handelsgeografie und spätere Namensgeber Karl Graf von Linden brauchte nach den ersten Anfängen noch gut 20 Jahre, bis er ausreichend Material für das von ihm angestrebte Völkerkundemuseum zusammenhatte.


Eröffnung vor 100 Jahren

Hier wollte er den Stuttgartern materielle Kultur, Sitten und Bräuche der Naturvölker näherbringen. Im Jahr 1911 öffnete der neoklassizistische Bau am Hegelplatz nach 18-monatiger Bauzeit seine Türen. Bis heute vermittelt das Lindenmuseum seinen Besuchern Leben, Fühlen und Glauben anderer Kulturen.


Abwechslung geboten

Mit sieben Dauerausstellungen zu verschiedenen außereuropäischen Kulturen gilt es als eines der größten Völkerkundemuseen Europas und versteht sich als Forum der Kulturen.
Neben den Dauerausstellungen ist das Museum aber auch für seine abwechslungsreichen, immer wieder wechselnden Ausstellungen bekannt. Ist der Weltrekord also geschafft, ruft zur Belohnung ein Abend in der neuen Ausstellung.


Eine kleine Weltreise

Bis zum 8. Januar 2012 lockt sie die Besucher ins Kunstgebäude am Schlossplatz und verspricht dabei vergleichbar bunt und abwechslungsreich zu werden, wie der Chor. „Es ist wie eine kleine Weltreise. Erstmals sind wirklich alle sieben Abteilungen vertreten“, sagt Elke Bauernfeind.


Vielfalt der Kulturen

Auf 200 Quadratmetern sind über 400 Objekte zu bestaunen. Im Mittelpunkt stehen natürlich die vielen verschiedenen Kulturen aus fünf Kontinenten. Was ist den Menschen in den verschiedenen Ländern wichtig? Wo liegen Gemeinsamkeiten und worin unterscheiden sich die kulturellen Rituale? Wie wird in Südasien geheiratet und wie in Afrika? Wie gestalten die Menschen auf unterschiedlichen Kontinenten, aus unterschiedlichen Kulturen ihren Alltag?


Andere Weltsichten nahebringen

„Die Abteilungen werden einander gegenübergestellt. Jede soll eben einmal über den eigenen Tellerrand schauen“, so Bauernfeind. Darum auch der Titel „Blick über den Tellerrand“. Fantasievoll und farbenfroh werden den Besuchern so andere Weltsichten, Rituale oder Lebensweisen nahegebracht.


Aus praktischen Gründen im Kunstgebäude

Dass die Ausstellung nicht in dem großen Gebäude am Hegelplatz stattfindet, hat dabei ganz praktische Gründe. „Das Museum wurde ursprünglich nicht mit einer extra Fläche für Sonderausstellungen konzipiert. Also müssten bei jeder temporären Ausstellung die Räume einer Dauerausstellung ausgeräumt werden.“ Der Aufwand und die Kosten wären enorm – und nicht nötig, wenn das Kunstgebäude ausreichend Platz für Sonderausstellungen bietet.


Ein schönes Geschenk

Bleibt dem Museum nach 100 erfolgreichen Jahren zu wünschen, dass es den Weltrekord schafft. „Das Lied wird sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch gesungen. Je nachdem, ob eine Nation außerdem besonders stark vertreten ist, soll es in dieser Sprache dann auch noch angestimmt werden“, meint Elke Bauernfeind. Es wäre ein schönes Geschenk, etwas bisher Einzigartiges zu einem besonderen Tag. (GK)

Traditionelle Braut aus Indien.
03.09.2011
(Ausgabe 03. September 2011)