Abwechslung für Theaterfreunde

Revolution in der Theaterwelt

Stefan Österle in der Max Frisch-Hommage „Frisch gewagt“.

Goethe, Shakespeare und Beckett sind zwar als Klassiker erwünscht. Manch ein Theatergänger wünscht sich sicherlich aber eine gewisse Form der Abwechslung, die die handelsübliche Drameninszenierung bei aller künstlerischen Freiheit nicht hergibt.

Ein Themen-, kein Dramahaus

An dieser Stelle tritt das Wortkino auf den Plan, ein seit über zwei Jahrzehnten bestehender Künstlerverbund, der sich im Gegensatz zur überwiegenden Zahl der Stuttgarter Theater als Themenhaus und nicht als Dramenhaus sieht. Was das genau zu bedeuten hat, erklärt Hannes Eimert: „Statt klassischer Dramenstoffe setzen wir bestimmte Themen um. Das können beispielsweise biografische Abende über das Wirken von Hermann Hesse, Friedrich Schiller oder Melanchton sein.“ Oder aber man nimmt sich – wie am heutigen Samstag, den 1. Oktober 2011 – dem Wirken Wilhelm Buschs an. „Wenigstens Selbstironie sollte der Sünder haben − also jedermann“, sagte dieser schlaue Mann einst. Und damit ist die Marschrichtung für diesen Abend bereits vorgegeben.

Immer ein Bezug da

Das Wortkino ist ein gemütlicher Ort des Zusammenfindens, an dem rund 40 Theaterfreunde Bühnenkultur abseits des Alltäglichen erleben können. Am bezeichnenden 3. Oktober 2011 beispielsweise lockt eine Revue über Konrad Adenauer, am 8. Oktober hingegen kann man etwas über das „Schicksal, ein Schwabe zu sein“ erfahren. Der historische respektive kulturelle Bezug ist also immer gegeben.

Der Name ist Programm

Und das Grundcredo ist seit jeher unverändert: „Mit dem Namen wollen wir andeuten, dass das Wort im Mittelpunkt steht und ein Bild im Kopf des Zuschauers erzeugt“, erklärt Eimert die Namensgebung der Stuttgarter Institution. „Es ist unser eigenes Haus, in dem wir unsere Eigenproduktionen präsentieren.“

Wandernde Theatergruppe

Weshalb der Dramaturg dies so hervorhebt, wird rasch klar, wenn man die andere Seite des Ensembles kennenlernt. Als wandernde Theatergruppe hat sich der Verbund Dein Theater längst überregional einen Namen gemacht – als Theatergruppe, die das Drama zu den Menschen bringt. „Unser Ziel war es von Anfang an, Kultur an den gewünschten Ort zu bringen“, erklärt Hannes Eimert. „Wo auch immer wir eingeladen werden, spielen wir.“ Und das meint er so, wie er es sagt: Zwar lehnt man es ab, als Marketinginstrument genutzt zu werden, ist ansonsten aber für alle Anfragen und Auftragsarbeiten zu haben – als fahrbares, kreatives und schier grenzenlos mobiles Theater, das dort spielt, wo es gebraucht wird. „Privatpersonen, Großunternehmen, die Stadt, Kindergärten, Universitäten ... zu uns können alle kommen. Und das tun sie auch, da wir uns nie spezialisiert haben.“

Unvergessliche Vorstellung im Wohnzimmer

Teilweise wird das Wortkino durch die Dein Theater-Auftragsarbeiten beeinflusst und inspiriert, teilweise kommt es bei den Aufträgen zu Situationen, die die Macher auch nach vielen Jahren noch bildlich vor sich haben. „Einen Auftrag werden wir wohl nie vergessen“, blickt Eimert zurück. „Wir spielten für ein altes Ehepaar – und zwar in deren Wohnzimmer. Sie saßen auf ihrem Loriot-artigen Sofa, wir räumten den Tisch zur Seite und führten nur für die beiden „Hans im Glück“ auf. Das war etwas ganz Besonderes.“

Andere Sichtweisen

Einfach ist diese Art der Theaterkunst natürlich nicht, fordert aber jedes Mal aufs Neue heraus. Genau das ist es, was das Dein Theater-Ensemble antreibt. „Wir sehen uns als Ergänzer“, meint Eimert zu seiner Arbeit. „Wir versuchen, andere Sichtweisen auf bekannte Themengebiete anzubieten. Dabei überrascht man nicht selten auch sich selbst und schärft die eigenen Ansichten.“ Am Ende profitiert also jeder von diesem Konzept. (BS)

Weitere Informationen:
www.wortkino.de

Geballte Frauenpower: Das Ensemble von „50 Jahr blondes Haar“.
01.10.2011
(Ausgabe 01. Oktober 2011)