INTERVIEW  

Aufbruchstimmung

(Bild: Kunstmuseum Stuttgart / Mellenthin)

Wir treffen Marion Ackermann in ihrem Büro am kleinen Schlossplatz. Die Stimmung ist gut, aber auch ein bisschen getrübt – weil die Direktorin des Kunstmuseums im September 2009 nach Düsseldorf wechseln wird.

GOOD NEWS: Anlässlich der Eröffnung des Neubaus am Schlossplatz im Frühjahr 2005 haben Sie prophezeit: „Die Umbenennung der städtischen Galerie in Kunstmuseum Stuttgart steht symbolisch für den Aufbruch in eine neue Ära“. Aus heutiger Sicht kann man getrost behaupten, dass Sie nicht zu viel versprochen haben.

Marion Ackermann: Ja, ich denke schon. Wir haben mit dem Haus ein tolles Fundament gelegt. Die Struktur ist ganz klar: Die Leute wissen, es gibt drei große Kubus-Ausstellungen pro Jahr, die relativ lange zu sehen sind. Wir sind in Deutschland, aber auch international wahrgenommen worden. Der Name „Kunstmuseum“ ist bekannt. Wir machen gerade eine Umfrage und eine der Fragen lautet „Wie sind Sie auf das Kunstmuseum aufmerksam geworden?“ und häufig wird angekreuzt: „Das Kunstmuseum kennt man einfach.“ Und das ist schon mal ein gutes Zeichen (lacht) . Das Haus hat ein klares Profil bekommen und hat sich dadurch eingeprägt.

GOOD NEWS: Es fällt besonders auf, dass das Kunstmuseum im Vergleich zur ehemaligen städtischen Galerie mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Marion Ackermann: Es liegt daran, dass wir versuchen, ein Programm zu machen, das mit den Fragen zu tun hat, die die Menschen aktuell formulieren. Oder: klassische Themen mit dem zu verknüpfen, was die Menschen interessiert. Am Anfang mit Max Bill haben wir ganz stark nach Aktualität gefragt, wir haben mit Gestaltern und Künstlern gesprochen. Trotzdem versuchen wir auf eine sehr positive und traditionelle Weise Kunstgeschichte zu vermitteln und gute Bilder zu zeigen. Unsere Arbeit hat also ein diskursives Element und zugleich etwas sehr Stilles, was ein Museum auch ausstrahlt. Es ist ein Ort der Muße inmitten der hektischen Stadt. Unsere Fassadenbeschriftung ist zudem sehr markant – die Menschen wissen, wann es einen Wechsel gibt und nehmen unser gesamtes Ausstellungsprogramm genau wahr. Sie gehen nicht nur zu Dix, sondern auch zu Jankowski, weil sie wissen, dass im Kunstmuseum Stuttgart einfach die Qualität stimmt.

GOOD NEWS: War die Idee mit der Beschriftung der Fassade schon Bestandteil des Entwurfs des Gebäudes?

Marion Ackermann: Ursprünglich sollte eine Medienfassade dort gestaltet werden, die wahnsinnig teuer gewesen wäre. Schon vor meinem Amtsantritt war beschlossen worden, dass es diese Medienfassade nicht geben wird, weswegen wir gemeinsam mit dem Gestaltungsbüro L2M3 eine Konzeption entwickelt haben, wie man sehr effektiv auf sehr weite Distanz auf unser Programm aufmerksam machen kann. Außerdem achten wir natürlich auf eine Einheit von Inhalt und Form. Bei Jankowski steht die Schrift auf dem Kopf, bei den Piktogrammen hatten wir Symbole eingesetzt.

GOOD NEWS: Sie kamen 2003 aus München nach Stuttgart. Wie haben Sie Stuttgart erlebt?

Marion Ackermann: Ich hatte die Vorbehalte und Klischees, die man aus Münchner Sicht oft hat – leider. Aber ich habe sehr, sehr schnell eine große Überraschung erlebt: eine tolle, junge Stadt mit einer Durchdringung der Künste, mit einer sehr interessanten Entwicklung im Bereich von Technik und Naturwissenschaften und einer wirklichen Verbindung dieser gesellschaftlichen Elemente, die sich im Stadtkessel verdichten. Hinzu kommt eine ganz große Offenheit und Neugier bei den Menschen. Ich liebe Stuttgart und kann nur Bestes sagen nach fünf Jahren.

GOOD NEWS: Hat Stuttgart eine lebendige Kunstszene?

Marion Ackermann: Ja, das hat es. Wobei es schon so ist, dass im Vergleich zu Städten ähnlicher Größe die Musik, der Tanz und das Theater eher im Mittelpunkt stehen und standen. Das hat sich jetzt vielleicht ein bisschen geändert, auch durch uns (lacht) . Und auch durch die jungen Künstler, durch die Akademie Schloss Solitude, durch Kunststiftung und Merz-Akademie. Dort ist überall in den letzten Jahren viel passiert. Viele Kunstschaffende kommen auch wieder aus Berlin zurück und entscheiden sich bewusst für Stuttgart.

GOOD NEWS: Im September 2009 werden Sie Stuttgart verlassen. Gibt es etwas, das Sie persönlich an Stuttgart zu schätzen gelernt haben?

Marion Ackermann: Ganz persönlich habe ich diesen engen inhaltlichen Austausch zu Vertretern der anderen Künste oder auch zum Bereich Architektur und Engineering schätzen gelernt. Ich habe es sehr genossen, nicht so isoliert zu arbeiten. Wir planen beispielsweise ein Projekt zum Kristall, das auch mit den neuesten Entwicklungen in Technik und Naturwissenschaft zu tun hat. Dass man von der Kunst wieder Impulse rückführen kann in andere Bereiche, hat die Arbeit in Stuttgart sehr anregend und interessant gemacht.

GOOD NEWS: Sie gelten als eine Frau, die es schafft, beruflichen Erfolg mit Familie zu verbinden. Ist das für Sie ein Thema – oder nur eine falsch gestellte Frage?

Marion Ackermann: Wenn man das so verbinden will, wie ich das mache, dann muss man vielleicht auch über eine andere Form von Kindererziehung nachdenken. Mein Kind reist zum Beispiel sehr viel (lacht) . Aber ich habe gehört, dass Reisen auch kleine Kinder bildet und gar nicht schlecht sein soll. Ich kann nur sagen: Es geht gut.

GOOD NEWS: Der Künstler Christian Jankowski hat in seiner aktuellen Ausstellung unter den Mitarbeitern des Kunstmuseums per Losverfahren einen Rollentausch arrangiert. Der Künstler saß zum Beispiel an der Kasse. Welche Rolle wurde Ihnen zugelost?

Marion Ackermann: Ich habe ein Los gezogen, auf dem der Name unseres Veranstaltungstechnikers stand. Wir haben gegenseitig die Rollen getauscht. Für mich war es unglaublich stressig, mich während der Ausstellungseröffnung um die Akustik kümmern zu müssen (lacht) und ich war richtig aufgeregt, dass ich etwas falsch machen könnte. Er umgekehrt hat in der Rolle des Direktors eine brillante Eröffnungsrede gehalten und auch ein tolles Vorwort für den Ausstellungskatalog geschrieben. Die außerkünstlerischen Nebenwirkungen waren so, dass doch einige verborgene Talente zum Vorschein gekommen sind.

GOOD NEWS: Das war sicher interessant für Sie, die Aufgaben Ihrer Mitarbeiter auf diese Weise kennenzulernen.

Marion Ackermann: Veranstaltungstechnik ist eine sehr diffizile Angelegenheit. Man braucht starke Nerven, denn wenn während der Veranstaltung irgendetwas nicht klappt, starren einen alle an – und zwar nicht im positiven, sondern im negativen Sinn. Wobei ich mich jetzt nicht gerade als Technik-Genie entpuppt habe.

GOOD NEWS: Der Jahreswechsel steht unmittelbar vor der Tür. Was wünschen Sie sich persönlich und beruflich für 2009?

Marion Ackermann: Ich finde es immer gut, wenn man ganz konkrete Wünsche äußert. Ich wünsche mir zum Beispiel, dass es uns gelingt, für das Kunstmuseum eine eigene Werkstatt für Kinder und Jugendliche zu bekommen. Ich wünsche mir, dass wir trotz der großen Krise, die uns allen bevorsteht und die im kommenden Jahr wohl noch viel stärker wahrgenommen wird, die Bedeutung der Kultur klarmachen können. Ich wünsche mir, dass die Krise auch positive Seiten hat: dass sie den Hype um den Kunstbetrieb ein bisschen zurückfährt, dass die Preise im Kunstmarkt zurückgehen und dass man sich auf das Wichtige besinnt.

GOOD NEWS: Frau Ackermann, vielen Dank für das Gespräch. (RC/VP)

(Ausgabe Januar 2009)