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Interview mit Werner Schretzmeier

Große Begeisterung

Werner Schretzmeier hat viele Interessen ...
... dazu gehört neben Kunst und Theater ...
... auch der Fussball. (Bilder: Bea Pötzsch)

Wir treffen Werner Schretzmeier in seinem Büro im Theaterhaus. Auf dem Tisch liegt ein Buch von Urs Meier, dem ehemaligen FIFA-Schiedsrichter und ZDF-Fußballexperten. Im Laufe des Gesprächs klärt sich auf, dass Schretzmeier nicht nur für die Kultur, sondern auch für Fußball viel übrig hat.

GOOD NEWS: Wie war das Konzert der Pet Shop Boys im Theaterhaus?

Werner Schretzmeier : Ich habe das Konzert selbst nicht erlebt, weil ich auf der Jubiläumsfeier „20 Jahre Kulturzentrum Roxy Ulm“ eingeladen war. Aber meine Kollegen und das Publikum waren begeistert.

GOOD NEWS: Megastars aus der Musikszene im Theaterhaus – das ist doch unglaublich, wenn man sich an die Anfänge des Theaterhauses vor 25 Jahren erinnert.

Werner Schretzmeier : Na ja, wir haben es immer wieder geschafft, große Namen ans Theaterhaus zu holen. Man denke nur an Woody Allen, Charles Aznavour, Miles Davis oder Juliette Greco. Das ist programmatisch wichtig, wenn auch finanziell nicht immer machbar. Das heißt, diese „Top Acts“ sind nur möglich, wenn unser Programm insgesamt sehr gut angenommen wird – Stichwort Mischfinanzierung – zumal wir unser Gesamtbudget zu 75 Prozent aus Einnahmen erwirtschaften müssen.

GOOD NEWS: Sie sind in den Anfängen des Theaterhauses angetreten, um den etablierten Kultureinrichtungen eine alternative Stätte entgegenzusetzen.

Werner Schretzmeier : Das ist richtig. Unser Ziel war ganz klar eine Bereicherung der Stuttgarter Kulturlandschaft. Und zwar als ein Haus, das nicht nur auf eine einzige Sparte setzt – oder auf ausschließlich große Namen, sondern auf programmatische Qualität und Vielfalt. Das ist noch heute so.

GOOD NEWS: Und das hat die Menschen von Anfang an überzeugt?

Werner Schretzmeier
: Die Idee des Theaterhauses Stuttgart, die auch immer sozial ausgerichtet war, haben viele von Beginn an unterstützt. Die breite Akzeptanz ist nach und nach gewachsen. Es hat sich herumgesprochen, was im Theaterhaus geboten wird – und das ist immer die beste Form der Überzeugungsarbeit.

GOOD NEWS: Dabei gelten die Stuttgarter doch eher als reserviert, oder?

Werner Schretzmeier : Nein, sie sind gar nicht reserviert. Sie sind anfangs kritisch und zurückhaltend, aber eben auch begeisterungsfähig! Und wenn sie mal überzeugt sind von der Qualität eines Programms oder einer Institution, dann sind sie auch sehr treu. Ich sage immer: Wenn ich ein Theaterhaus irgendwo anders in die Welt setzen wollte, dann würde ich das Stuttgarter Publikum mitnehmen.

GOOD NEWS: Wie war für Sie der Sprung von der Ulmer Straße in Wangen, wo das Theaterhaus 18 Jahre lang residierte, auf den Pragsattel?

Werner Schretzmeier : Dieser Sprung war schon gewaltig, weil auch für uns nicht klar war, ob wir den Erfolg des „Mutterhauses“ am neuen Ort und auf mehreren Bühnen fortsetzen können. Denn mit dem neuen Theaterhaus sind ja nicht nur die Anzahl und Größe der Veranstaltungen angewachsen, sondern auch die Chancen und Risiken, nicht zuletzt auch die Verantwortung für mittlerweile 80 Mitarbeiter im Haus. Umso mehr freuen wir uns über die phänomenale Resonanz des Publikums auf unsere Arbeit. Ich glaube man kann zurecht von gegenseitiger Wertschätzung zwischen dem Theaterhaus und seinem Publikum sprechen. Nehmen Sie zum Beispiel die Theaterhaus-Kompanie „Gauthier Dance“. Das Geheimnis ihres großartigen Erfolges besteht darin, dass es Eric Gauthier mit seiner Kompanie gelingt, den Besuchern auf höchstem tänzerischen Niveau Freude zu bereiten. Diese besondere Qualität wird vom Publikum entsprechend honoriert.

GOOD NEWS: Gilt diese gegenseitige Wertschätzung auch für die Stuttgarter Kulturpolitik?

Werner Schretzmeier : Wenn man mich irgendwann mal fragen sollte, ob ich mit dem Theaterhaus erfolgreich war, würde ich antworten: Ja, wenn es um die Akzeptanz beim Publikum geht. Nein, was die Kulturpolitik  betrifft. Es ist mir nicht gelungen, die Dimensionen und Möglichkeiten des Theaterhauses – auch im internationalen Vergleich – dort klar zu machen. Dabei geht es nicht darum, unsinnige Zuschüsse einzufordern, sondern um die Wertschätzung dessen, was wir auf die Beine gestellt haben oder, bei entsprechender finanzieller Unterstützung, auf die Beine stellen könnten.

GOOD NEWS: Was schätzen Sie persönlich am Theaterhaus?

Werner Schretzmeier : Wissen Sie, in unserem Theaterhaus hat sich ein Geist entwickelt, eine Art der Zusammenarbeit und eine Vielfalt, die sehr positiv und nur schwer zu finden ist. Ausschließlich eine Sparte, Theater als Beispiel, wäre mir auf die Dauer zu einseitig.

GOOD NEWS: Sie machen aber auch Theater. Als Regisseur inszenieren Sie gerade Thomas Brussigs Stück „Schiedsrichter Fertig“, das am 30. Juli Premiere hat.

Werner Schretzmeier : Ja, das schließt sich nicht aus und darüber hinaus ist das ein richtig gut geschriebenes Stück, an dem ich viel Freude habe. Hinzu kommt meine persönliche Leidenschaft für Fußball. Es geht darin um einen Schiedsrichter, aber die Situation, die Brussig schildert, ist viel grundlegender: Der Schiedsrichter bekommt nie Beifall; es scheint selbstverständlich zu sein, dass er alles richtig macht, und ist nur dann in aller Munde, wenn er etwas richtig falsch macht. Das ist die alltägliche Tragik vieler Menschen, ganz gleich ob privat oder beruflich.

GOOD NEWS: Die Uraufführung des Stücks fand im November 2008 in Nürnberg statt – der Autor war mit der Inszenierung gar nicht einverstanden. Was werden Sie anders machen?

Werner Schretzmeier : Nach dieser Geschichte war uns der Kontakt zu Thomas Brussig natürlich wichtig, weil man ja ein ähnliches Schlamassel vermeiden möchte. Brussig geht es in erster Linie darum, dass sein Text nicht reduziert, sondern eher noch angereichert wird. Das werden wir tun, außerdem wird nicht nur der Schiedsrichter auftreten, sondern zusätzlich seine zwei Schiedsrichterassistenten.

GOOD NEWS: Sie haben im Januar Ihren 65. Geburtstag gefeiert. Andere Leute gehen in diesem Alter in den verdienten Ruhestand oder denken darüber nach, ihre Memoiren zu schreiben.

Werner Schretzmeier : Für beides ist es noch viel zu früh. Ich spiele immer noch so gut Fußball, dass meine weitaus jüngeren Kollegen mich nach wie vor als Mitspieler respektieren (lacht) . Nein, im Ernst. Für den Ruhestand fühle ich mich noch nicht reif genug, weil ich meine Arbeit bis heute nicht als Lohnarbeit empfinde, auch wenn ich im Grunde „Tag und Nacht“ im Dienst bin. Nächstes Jahr feiern wir 25 Jahre Theaterhaus, und wir haben noch viele Pläne und Ideen, die auf Verwirklichung warten und das Haus weiterentwickeln werden.

GOOD NEWS: Würden Sie uns noch Ihre gute Nachricht des Monats verraten?

Werner Schretzmeier : Wir hatten in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 150.000 Besucher, so viele wie noch nie seit Bestehen des Theaterhauses. Wenn wir das Theaterhaus Stuttgart als Stimmungsbarometer in der derzeitigen Krisenzeit nähmen, dann geht es uns allen möglicherweise viel besser, als wir glauben.

GOOD NEWS:
Herr Schretzmeier, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch. (RC)

Steckbrief
Name:

Werner Schretzmeier


Geburtstag/Geburtsort:

21. Januar 1944 in Schorndorf


Beruf:

Autor, Regisseur, Intendant


Beruflicher Werdegang:

1968: Gründung des Clubs Manufaktur in Schorndorf
und Beginn als TV-Regisseur beim SDR-Fernsehen
1970: Aufbau des Jugendzentrums Hammerschlag Schorndorf
1975: Gründung des unabhängigen Plattenlabels „Mood Record“
(mit Wolfgang Dauner, Albert Mangelsdorff u. a.)
1985: Gründer des Theaterhauses Stuttgart
(mit Peter Grohmann und Gudrun Schretzmeier)
Bis heute: Leiter und Regisseur am Theaterhaus Stuttgart

11.07.2009
(Ausgabe Juli 2009)