VERSPIELT

Kunst kinderleicht

In den Workshops des mu*pä*di nähern sich Sechs- bis Achtjährige spielerisch abstrakter Kunst.

Eine weiße Leinwand bekleckert mit bunten Farbsprenkeln – das soll Kunst sein? Diese Frage stellen sich viele beim Anblick des abstrakten Gemäldes von Jackson Pollock im Kunstmuseum.

„Das könnte ich auch“, hört Edi Keller, Leiter des museumspädagogischen Dienstes (mu*pä*di), bei Klassenführungen immer wieder. „Klar“, erwidert Keller dann, „aber wärt ihr auch auf die Idee gekommen?“.

Jackson Pollock - Einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts
Denn Pollock ist nicht irgendein Künstler. Er gilt als einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts und war der erste, der eine Farbdose an die Decke hängte, ein Loch hinein bohrte und die heraustropfende Farbe auf der am Boden liegenden Leinwand verteilte. In London wird Pollock deshalb auch „Jack the Dripper“ genannt.

Doch für viele Besucher des Kunstmuseums bleiben seine abstrakten Werke schwer zu begreifen. Dabei ist das eigentlich kinderleicht. Zumindest mit Hilfe des mu*pä*di.


Mit dem mu*pä*di den Zugang zur Kunst finden
„Für viele bildungsorientierte Eltern ist es selbstverständlich, dass ihr Kind ein Instrument lernt. Aber dass Kinder den Zugang zur Kunst oft nicht alleine finden, haben die meisten noch nicht erkannt“, meint Edi Keller. Deshalb wurde in Stuttgart 1978 der mu*pä*di aus der Taufe gehoben.

Führungen und Workshops mit dem
mu*pä*di erleben

Pro Jahr betreut er zwischen 6.000 und 7.000 Kinder und Jugendliche und macht sie in Führungen und Workshops mit der Stuttgarter Museumslandschaft vertraut. Vor allem die Ferienworkshops mit Ganztagesbetreuung kommen bei berufstätigen Eltern gut an.

So gut, dass in den letzten Weihnachtsferien auf Nachfrage erstmals ein Workshop für Sechs- bis Achtjährige auf dem Programm stand. Das Thema: Adolf Hölzel und seine Schüler, deren Werke im Kunstmuseum ausgestellt sind.

Ein regionaler Bezug macht die Kinder neugierig
Der regionale Bezug ist für Kinder besonders wichtig. „Mit Namen wie Matisse oder Picasso können sie wenig anfangen“, erklärt Keller. „Aber wenn wir ihnen erzählen, dass Hölzel an der Stuttgarter Kunstakademie lehrte, als erster Künstler Deutschlands abstrakte Bilder malte und die moderne Farbtheorie erfand, werden sie neugierig.“


„Learning by doing“ heißt die Devise

Aber wie bringt man Sechs- bis Achtjährigen abstrakte Kunst näher? „Learning by doing“ heißt die Devise. Deshalb wird in der mu*pä*di-Werkstatt „unterm Turm“ fleißig gearbeitet. „Wir schauen uns nicht zuerst die Werke im Kunstmuseum an, sondern lassen die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen.

Die nehmen sie dann mit ins Museum und haben so ein ganz anderes Verständnis für die Bilder“, erklärt Betreuerin Kirsten Perlenberg. Sie gestaltet zusammen mit einer angehenden Kunstpädagogin den Workshop. „Für die Kinder ist der Künstler dann einer von ihnen.“


Linien, Kreise, Rechtecke und Punkte
An der Wand hängen schwarz-weiße Gemälde mit Linien, Kreisen, Rechtecken und Punkten. Welche der Bilder von den erwachsenen Betreuern stammen und welche von den Kindern lässt sich nur schwer sagen. „Jemand der nicht weiß, wie diese Bilder entstanden sind, fragt sich: Wie kommen Kinder zu solchen abstrakten Werken? Für die Kinder ist es natürlich nichts Abstraktes, sondern ein Garten von oben“, sagt Kirsten Perleberg.

Ein Papierteppich aus beißenden Farben
Nach den ersten Vorübungen steht nun eine kleine Aufgabe an: ein Papierteppich aus sich beißenden Farben – abstrakte Kunst eben.
„Das sieht ganz schön witzig aus“, ruft der siebenjährige Pablo, als er sieht, wie die Papierstreifen über- und untereinander geschoben werden. „Habt ihr verstanden? Dann los an die Arbeit“, gibt Kirsten Perlenberg letzte Instruktionen.

Die Kinder sind mit Feuereifer und Spaß bei der Sache
Schon werden Lineale angelegt und Scheren gleiten wellenförmig durchs Papier. Alle sind mit Feuereifer bei der Sache, nur die Kleineren brauchen noch ein wenig Hilfe. Der zehnjährige Levi Wenzelburger ist zum ersten Mal dabei. „Das macht Spaß! Der Papierteppich gefällt mir gut, aber am besten fand ich es, heute Morgen den Karton mit einem ganz dicken Pinsel anzustreichen“, berichtet er freudestrahlend.

„Hier hat jedes Kind ein Erfolgserlebnis.“
Handwerkliches Geschick ist eher Nebensache. „Es gibt keine besseren oder schlechteren Ergebnisse. Hier hat jedes Kind ein Erfolgserlebnis, das ist das Geniale daran“, sagt Kirsten Perlenberg mit einem Lächeln. Und in einem sind sich alle Kinder einig: Ins Museum wollen sie diese Woche noch ein zweites Mal. (CH)

Kinder machen mithilfe des mu*pä*di ihre eigenen Erfahrungen mit Kunst.
Sie gewinnen so ein anderes Verständnis für Kunstwerke in den Museen.

28.02.2009

(Ausgabe März 2009)