Stuttgarts urbane Tiere
Der flinke Nager bevölkert Stuttgarts Gärten, Wälder und Parks: das Europäische Eichhörnchen.

Tierisches Stuttgart

Stuttgarts urbane Tiere

Es ist eines der beliebtesten Säugetiere: das europäische Eichhörnchen. Früher trafen wir es nur im Wald an, heute lebt es auch in Menschennähe in Parks oder Gärten. Flink und eifrig ist es unterwegs, verschwindet oft immer dann, wenn man ihm gerade etwas näher gekommen ist. „In Stuttgart kann man den Nager vor allem im Schlossgarten beobachten“, weiß Eichhörnchenexperte Hannes Huber vom NABU Baden-Württemberg. „Aber auch überall dort, wo genügend Bäume und ausreichend Luft dazwischen vorzufinden sind, treibt es sich herum.“

Typisch: das rotbraune Fell


Eichhörnchen leben hoch oben in den Bäumen, sind aber durch ihre typische Färbung in dem grünen Geäst leicht auszumachen. Ihr Fell besticht durch eine warme Rotbräune, ihre Unterseite durch die helle Weiß. Da zu dem europäischen Eichhörnchen über 40 Unterarten gehören, kommen durchaus auch andere Farbnuancen wie braune oder sogar schwärzliche Typen vor. Immer charakteristisch ist jedoch der buschige Schwanz, der sogar länger als ihr Körper ist. Mit seiner Hilfe halten sie während des Kletterns und Springens ihr Gleichgewicht und steuern ihre Bewegungen. Auch die geschickten Vorderpfoten sind dem Eichhörnchen eine große Hilfe. Sie sind so filigran, dass sie als „Hände“ bezeichnet werden und man sogar zwischen links- und rechtshändigen Tieren unterscheidet.

Ein kleiner Allesfresser

Um an das Innere von Walnuss, Haselnuss und Co. zu kommen, beschädigt das Nagetier die Schale der Nuss mit seinen Zähnen und durch ein geschicktes Drehen mit den Händen so lange, bis die Löcher groß genug sind, um diese mit den Zähnen aufzubrechen. Neben Nüssen verspeist das Eichhörnchen mit Vorliebe Früchte, Pilze und Blüten. Doch es ist kein ausschließlicher Pflanzenfresser. Von Zeit zu Zeit stehen auch Jungvögel oder Eier aus Vogelnestern, Schnecken und Insekten auf dem Speiseplan, um die tägliche Nahrungsmenge von etwa 40 bis 80 Gramm zu erreichen. Die Nahrungsaufnahme hängt von der Jahreszeit und dem Angebot in dem jeweiligen Territorium ab.

15 Junge pro Jahr

Eichhörnchen zeugen pro Jahr mit etwa drei Würfen bis zu 15 Junge. Doch wirkliche „Familientiere“ sind sie trotz ihrer fleißigen Vermehrung noch lange nicht. Nach der Paarung ist die Mutter für den Nachwuchs und deren Aufzucht allein verantwortlich. Erst zur nächsten Paarung treffen neue Männchen und Weibchen aufeinander, der aber wilde Verfolgungsjagden und sogar Kämpfe vorausgehen.

Jedes hat sein Revier

Jedes Eichhörnchen lebt in seinem eigenen Revier von wenigen Hektar, das es mit Urin markiert. Diese Grenzen werden sehr ernst genommen. Dringt ein Eichhörnchen in das Revier eines anderen ein, um beispielsweise Nahrung zu stehlen, wird es meist mit einer gnadenlosen Verfolgungsjagd wieder verscheucht. Dank ihres hoch entwickelten Geruchssinns wittern Eichhörnchen die Markierungen ihrer Artgenossen schon von weitem.

Die feine Nase hilft bei der Nahrungssuche

Der gute Geruchssinn kommt ihnen auch in den kalten Wintermonaten zugute. Im Herbst sammeln sie Vorräte für die kalte Jahreszeit, die sie im Boden vergraben und in Astgabeln verstecken. Natürlich kann sich das Eichhörnchen während der Suche nicht an jedes einzelne Versteck erinnern, und so hilft das gute Näschen beim Aufspüren der Reserven. Auch das Sehvermögen des Eichhörnchens ist sehr gut ausgeprägt, obwohl es nur zwischen den Farben Rot und Blau unterscheiden kann.

Einige tierische Feinde

Neben seinen eigenen Artgenossen, die ihm immer wieder seine Nahrung stibitzen wollen, sowie seinen natürlichen Feinden wie Greifvögeln und Mardern, ist der Nager seit einigen Jahren noch mit einem weitaus schlimmeren Gegner konfrontiert: dem Grauhörnchen. Eigentlich aus Nordamerika stammend, vermehrt es sich seit über hundert Jahren immer stärker auch in Europa und wird zum ernstzunehmenden Feind. Es ist doppelt so schwer wie das europäische Eichhörnchen, hält im Gegensatz zu ihm keine Winterruhe und macht ihm die Nahrung streitig. Außerdem überträgt es die tödlichen „Eichhörnchenpocken“, gegen die es selbst jedoch immun ist.

Bedrohung auch durch Artgenossen

Ist das europäische Eichhörnchen in Deutschland nun etwa bedroht? „Eine Prognose ist schwierig“, räumt Huber ein, da das Grauhörnchen mittlerweile auch in Norditalien sein Unwesen treibe. „Wenn es die Alpen überquert und nach Deutschland übersiedelt, hat das Grauhörnchen auf jeden Fall das Potential, das Eichhörnchen hier zu verdrängen. Aber das ist letztendlich auch der natürliche Prozess.“

Auch die Menschen können dem Nager helfen

In Deutschland wurde der „böse“ Bruder des Eichhörnchens, der in England offiziell als Schädling gilt, bisher noch nicht gesichtet. So scheint also der Bestand der hiesigen Eichhörnchen nicht gefährdet. Wer dem europäischen Nager trotzdem schon mal im Voraus helfen möchte, sollte vom Anlocken durch deponiertes Futter absehen. „Pflanzen Sie lieber Büsche oder Bäume, die Früchte und Nüsse tragen“, rät der Experte. „So bleibt der natürliche Kreislauf bestehen und Sie helfen dem Eichhörnchen, sich selbst zu helfen.“ (VAN)

Europäisches Eichhörnchen (sciurus vulgaris)
Familie: Hörnchen (sciuidae)
Größe: (inkl. Schwanz) etwa 40 Zentimeter
Verbreitungsgebiet: in ganz Europa (außer in Portugal, im Süden Spaniens und in einigen Regionen Italiens)
Lebensraum: Nadel-, Laub- und Mischwälder sowie Parks und Gärten
Ernährung: Allesfresser, Nahrung variiert nach Jahreszeit
Nachwuchs: 28 Tage Tragezeit, 3 bis 5 Junge, bis zu 3 mal im Jahr
Lebenserwartung: im Durchschnitt 3 Jahre
Natürliche Feinde: Greifvögel, Marder und Katzen, aber auch Parasiten
Bestand: Keine offiziellen Zahlen vorhanden

25.05.2013
(Ausgabe 25. Mai 2013)